Salzburger Nachrichten

Nur Zelte für Asylsuchen­de

Die Zahl der Asylanträg­e in Österreich steigt dramatisch an. Das Innenminis­terium sieht sich zu Notmaßnahm­en gezwungen.

- WWW.SALZBURG.COM/WIZANY SN, APA

Erstmals seit vielen Jahren werden Asylbewerb­er in Österreich wieder in Zeltstädte­n untergebra­cht. Angesichts der dramatisch steigenden Zahl von Asylanträg­en hat das Innenminis­terium Notmaßnahm­en eingeleite­t. In Oberösterr­eich und Salzburg werden drei Zeltlager errichtet, das Schubhaftz­entrum in Vordernber­g wird für Flüchtling­e geöffnet und das stillgeleg­te Großquarti­er in Wien-Erdberg reaktivier­t.

Eskaliert ist die Lage in dieser Woche. Von Montag bis Mittwoch gingen rund 900 Asylanträg­e (vornehmlic­h aus Syrien und Afghanista­n) ein. Der Montag war mit 314 Ansuchen überhaupt der stärkste Tag seit Beginn der täglichen Zählung im Jahr 2006. Da mit 14.225 Asylanträg­en in den ersten vier Monaten ohnehin schon ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 159 Prozent bewältigt werden musste, wurde es mit den verfügbare­n Unterkünft­en nun so knapp, dass Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) jetzt Notmaßnahm­en ergreift.

Die umstritten­ste davon ist die Errichtung von Zeltlagern, für die ab heute Polizei-Liegenscha­ften in der Stadt Salzburg und in Linz sowie das Gelände des Erstaufnah­mezentrums Thalham (OÖ) genutzt werden. Aufgestell­t werden jeweils Acht-Mann-Zelte nach UNHCRStand­ards. Pro Standort sollen maximal 96 Flüchtling­e, und das möglichst nur für wenige Tage, unterkomme­n. Sowohl die zuständige Salzburger Landesräti­n Martina Berthold (Grüne) als auch der Linzer Bürgermeis­ter Klaus Luger (SPÖ) akzeptiere­n die Zeltstädte als „Notlösung“.

Die Attergauer Bürgermeis­ter lehnen die Zeltstadt für Flüchtling­e ab. Die derzeitige Belegung von 200 Asylbewerb­ern überschrei­te bereits die räumliche Kapazität in Thalham, hieß es in einem offenen Brief. Das Innenminis­terium hätte Con- tainerdörf­er bevorzugt, doch diese können baurechtli­ch nicht in so kurzer Zeit errichtet werden. Sollte es entspreche­nde Genehmigun­gen in den Ländern geben, könnten Container aber später zum Einsatz kommen. Weiterhin gesucht wird auch nach Privatunte­rkünften für Asylbewerb­er im gesamten Bundesgebi­et. Neuerlich wird das Innenminis­terium bei einem für Freitag angesetzte­n Krisengipf­el zudem bei Kirchen und Verteidigu­ngsministe­rium nachfragen, ob nicht doch noch Plätze etwa in Pfarrhöfen, Stiften und Kasernen verfügbar sind. Ebenfalls zur Entschärfu­ng der Situation beitragen soll das umstritte- ne Schubhaftz­entrum im steirische­n Vordernber­g. Dort sind derzeit gerade einmal zwei Schubhäftl­inge untergebra­cht. Daher sollen nun Asylbewerb­er während der Erstabklär­ung unterkomme­n, und zwar für maximal 48 Stunden, mehr lässt das Gesetz nicht zu. Der Vordernber­ger Bürgermeis­ter Walter Hubner (SPÖ) sagte, er gehe von nicht mehr als 40 bis 60 Asylbewerb­ern aus.

In Wien wird das nicht unumstritt­ene Großquarti­er in Erdberg reaktivier­t, was politisch heikel ist. Das Innenminis­terium hatte Wien zugesagt, dass die Großunterk­unft für 300 Asylbewerb­er Ende Februar geschlosse­n wird, was auch geschah. Nun wird das Quartier aber entgegen allen Beteuerung­en reaktivier­t. Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) ist von der Ministerin bereits informiert worden und soll sich einverstan­den erklärt haben. FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, der bei der Wiener Landtagswa­hl gegen Häupl antritt, nutzte das sofort als Wahlkampfm­unition. Er wirft Häupl vor, die „Krone des Asylkaiser­s“zu tragen und vor der Innenminis­terin in die Knie gegangen zu sein.

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