Hingerichtet wegen eines Nickerchens
Im Machtzirkel von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un häufen sich die Todesfälle. Diesmal soll es einen hohen Minister getroffen haben.
Weil er sich respektlos gegenüber Nordkoreas Führer Kim Jong Un verhalten haben soll, ist Verteidigungsminister Hyon Yong Chol offenbar wegen Staatsverrats hingerichtet worden. Das Vergehen: Die Nummer zwei in der nordkoreanischen Militärhierarchie soll bei Militäranlässen eingenickt sein und dem Jungführer bei mehreren Gelegenheiten widersprochen haben.
Hingerichtet wurde der Verteidigungsminister am 30. April unter den Augen von mehreren Hundert Kadermitgliedern der Partei. Die Exekution wurde offenbar auf dem Schießstand einer Militärakademie in Pjöngjang mit einem Flugabwehrgeschütz vollzogen. Die grausame Strafe ist unbestätigten Berichten zufolge hochrangigen Regierungsvertretern vorbehalten, an denen das Regime ein Exempel statuieren will. Noch Mitte April hatte Hyon einer Sicherheitskonferenz in Moskau beigewohnt. Hyon zählte zu Kims engstem Umfeld und galt als der zweithöchste Uniformierte im Land.
Um seine Autorität zu festigen, terrorisiert der unerfahrene Jungdiktator Kim Jong Un Nordkoreas Elite mit Exekutionen und Säuberungsaktionen. Gewöhnlich sind Berichte aus dem Eremitenreich über hingerichtete Führungsmitglieder schwierig bis gar nicht zu überprüfen. Im neuesten Fall stammen die Informationen direkt vom Vizechef des südkoreanischen Geheimdienstes NIS, der gewöhnlich keine Gerüchte publik macht. Laut dessen Bericht vor einem Parlamentsausschuss werde in Nordkorea derzeit jede Woche ein hoher Beamter hingerichtet, zitierte ihn die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap. Dies zeugt von einem Regime, das den eigenen Sturz fürchtet und in seiner Unsicherheit immer unberechenbarer wird.
Die Versorgungslage in Nordkorea hat sich in den vergangenen Jahren zwar gebessert. Im Austausch für die stillschweigende Akzeptanz eines totalitären Regimes genießen gerade Menschen in Pjöngjang neue Freiheiten. Neuerdings gibt es in der Hauptstadt Restaurants, Vergnügungsparks und Luxussiedlungen. Mit Geld und Beziehungen ist vieles zu haben. Es sickern aber auch immer mehr Informationen ins Land. Offenbar hat die Staatssicherheit alle Hände voll zu tun, politischen Unmut unter Verschluss zu halten, wobei die paranoide Führung eben auch vor der Liquidierung eigener Vertrauter nicht zurückschreckt. Laut Südkoreas Geheimdienst wurden allein in diesem Jahr 15 hohe Beamte hingerichtet, darunter zwei Vizeminister. Auf der Liste der Opfer des Jungführers stehen bereits dessen Onkel und Tante, die als loyale Mentoren des dritten KimDynasten galten. Die Säuberungsaktionen sprechen von der Angst der herrschenden Dynastie vor wachsenden Rissen im System.
Beobachtern zufolge entwickelt der unerfahrene Kim eine Tendenz zu offenkundig dramatischen und krassen Schritten. Von 2012 bis Ende letzten Jahres sollen nahezu 70 hohe Regierungsvertreter hingerichtet worden sein, die entweder Kims Entscheidungen infrage stellten oder seinen Befehlen keine Folge leisteten. Kim Jong Un hängt nach, dass ihn sein verstorbener Vater nie zum offiziellen Nachfolger ernannt hat. Der im Ausland lebende Halbbruder des Machthabers, Kim Jong Nam, hatte bereits Anfang 2012 gespottet, dass dieser nur eine Marionette des Regimes sei. „Ich frage mich, wie ein junger Erbe nach lediglich zwei Jahren Ausbildung in der Lage sein soll, die absolute Macht zu übernehmen“, schrieb der Verwandte in einem E-Mail an eine japanischen Zeitung. Spekuliert wird nun, dass sich Kim Jong Un entschieden haben könnte, mehr als nur das „Symbol“an der Spitze des Staates zu sein – und durchzugreifen.