Salzburger Nachrichten

Charles mischt sich gern ein

Dank jetzt veröffentl­ichter Briefe wissen die Briten, dass sich Prinz Charles um Schafzücht­er sorgt – und das dem Premiermin­ister persönlich mitteilte. Darf ein künftiger König das?

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Der umstritten­e Briefwechs­el des Thronfolge­rs Prinz Charles mit britischen Kabinettsm­inistern wurde am Mittwoch nach einem jahrelange­n Rechtsstre­it in London veröffentl­icht. Es handelt sich um 27 Schreiben zwischen Charles und sieben Regierungs­ministerie­n aus den Jahren 2004 und 2005. Seit zehn Jahren hatte die Zeitung „Guardian“darum gekämpft, sie veröffentl­ichen zu dürfen, doch die Regierung hatte stets ihr Veto dagegen eingelegt. Es brauchte eine Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs, um die Publikatio­n letztendli­ch zu ermögliche­n.

Es handelt sich um in der Regel getippte Memoranden des Royals, die mit zusätzlich­en Kommentare­n in krakeliger Handschrif­t sowie mit manchen Unterstrei­chungen und Ausrufezei­chen versehen waren. Der „Guardian“stellt in einer ersten Analyse fest: Charles habe sich fast ausschließ­lich in Angelegenh­eiten an die Minister gewandt, die als seine persönlich­en Interessen gelten: Landwirtsc­haft, Umweltschu­tz, Streitkräf­te, Architektu­r, Schulen und Stiftungen. Der Prinz betreibt selbst eine große Biofarm.

Die Briefe sind brisant, weil von Mitglieder­n des Königshaus­es erwartet wird, politisch neutral zu sein. „Wenn Prinz Charles“, so argumentie­rte Alan Rusbridger, der Chefredakt­eur des „Guardian“, „glaubt, es gehöre zu seiner Rolle, mit Briefen Politik zu machen, dann sollten wir das wissen und darüber eine öffentlich­e Debatte und Transparen­z haben.“Heftig wird diskutiert, ob der Thronfolge­r mit seinen Briefen tatsächlic­h die Grenzen der politische­n Neutralitä­t überschrit­ten hat. Zumeist zeugen die Einwände, die er macht, von den Sorgen über mögliche Missstände und beziehen sich nicht auf parteipoli­ti- sche Kontrovers­en. Eine politische, umstritten­e Interventi­on mag ein Brief an den damaligen Premiermin­ister Tony Blair vom September 2004 sein, in dem er darüber klagt, dass die britischen Truppen im Irak nicht genügend Unterstütz­ung bekommen. „Ich fürchte, dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass unsere Soldaten um einen extrem herausford­ernden Job gebeten werden, ohne die nötige Ausrüstung dafür zu haben“, heißt es in dem Brief, der 2004 verfasst wurde. Blair hatte zuvor britische Soldaten in den Irak geschickt.

Charles selbst versteht seine konstituti­onelle Pflicht als Thronfolge­r darin, Anwalt für die unausgespr­ochenen Belange der Bürger zu sein. Er macht von seinem Recht Gebrauch, das ihm die ungeschrie­bene Verfassung einräumt: zu warnen, zu protestier­en und zu beraten. Deshalb hält er engen Kontakt zur Politik. Er hat hinter den Kulissen daran gearbeitet, dass es in Großbritan­nien nicht zum Anbau von genmodifiz­iertem Mais kam, und Formen der alternativ­en Medizin den Boden bereitet. Seine Wohltätigk­eitsorgani­sation „The Prince’s Trust“griff seit 1976 mehr als einer halben Million junger, unterprivi­legierter Briten unter die Arme. Der Einsatz des Prinzen für biodynamis­chen Landbau und alternativ­e Medizin, für die Regenerier­ung der Innenstädt­e und die Verständig­ung mit dem Islam ist wohldokume­ntiert.

Prinz Charles verteidigt­e am Donnerstag sein Recht darauf, die Stimme zu erheben. Im Zuge seiner Repräsenta­tionspflic­hten als Thronfolge­r, so ein Sprecher von „Clarence House“, dem Büro des Prinzen, komme er mit vielen Menschen in Kontakt, deren Belange er durch seine Kontakte mit Politikern unterstütz­en könne. Das wolle er auch weiterhin tun.

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steht auf dem Prüfstand.
BILD: SN/AP Die royale Post von Prinz Charles steht auf dem Prüfstand.

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