Was geschah an Ihrem 21. Geburtstag?
Mit 105 bewegten Porträts will der Schweizer Künstler Mats Staub bewegende Einsichten ins Erwachsenwerden vermitteln.
Sind Sie schon erwachsen? Nach Kindheit und Jugend ist erwachsen werden die dritte Zäsur zwischen Geburt und Tod und ein Prozess, der manchmal erst mit dem Lebensende endet. Wann ist jemand erwachsen? Wie fühlt sich das an?
Der Schweizer Künstler Mats Staub wollte es genauer wissen. Er nahm den 21. Geburtstag als Stichdatum, zog von Stadt zu Stadt und fragte ausgewählte Menschen: „Was geschah im Jahr Ihres 21. Geburtstags?“„Wie haben Sie die Schwelle zum Erwachsenwerden gefeiert?“Seine Wanderausstellung „21 – Erinnerungen ans Erwachsenwerden“wird bei den Wiener Festwochen um sieben Menschen bereichert. Als Setting dienen ein abgedunkelter Raum, Sessel, Mikrofon, etwas Licht und Kamera mit Stativ. Hier hören diese Menschen jene Geschichten rund um das Jahr ihres 21. Geburtstags wieder, die sie Staub vor knapp drei Monaten für Tonaufnahmen erzählt hatten. Gleichzeitig nimmt die Kamera ihre mimischen Reaktionen auf.
Der eigenen Stimme und den erinnerten Erlebnissen in dieser Distanz zu begegnen ist eine starke emotionale Konfrontation, und so spiegeln sich Erschrecken, Staunen, Berührtsein, Scham, Wehmut, Freude und andere Gefühle in den Gesichtern.
Diese bewegten Porträts werden gemeinsam mit 98 aus anderen Städten, etwa aus Belgrad, im Festwochenzentrum Künstlerhaus auf Monitoren zu sehen sein, chronologisch nach Jahresgruppen gereiht. Ein „work in progress“, eine aus persönlichen Erfahrungen, Alltagsund Zeitgeschichte gewebte Sammlung, die Staub bis nach Johannesburg, Südafrika, fortsetzen wird, ein schillerndes Panorama des 20. und 21. Jahrhunderts – so könnte man das Projekt Erwachsenwerden interpretieren. Und doch geht es dem Erinnerungskünstler um eine tiefere Dimension: „Aufrufen der Erinnerung führt im Menschen zum Nachdenken und Nachfühlen: Was will ich loslassen? Was bewahren? Wie damit weitergehen? Und wie die erinnerte Lebenskraft aktivieren?“, sagt Staub, der seine Mitwirkenden „nicht mit Anekdoten, sondern mit Erinnerungsblasen, die sich während des Gesprächs plötzlich auftun“, konfrontiert. Erwachsenwerden beginne für jeden zu einem anderen Zeitpunkt und sei oft mit einem Verlusterlebnis verbunden.
Da die Besucher den Porträtierten in dieser Videoinstallation auf Augenhöhe begegnen können, entsteht eine intime Situation: „Sich zehn Minuten mit einem Menschen auseinandersetzen, ihm zuhören und in sich hineinhören“, wünscht sich der Theater- und Religionswissenschafter, der als Journalist und Dramaturg gearbeitet hatte und über diese Berufe seine Berufung fand. Jetzt verbindet er wissenschaftliches Systematisieren mit Recherchieren, Fragenstellen und künstlerischer Umsetzung von Erinnerungen – sei es als Plakataktion, Fotosammlung, Videoarbeit oder in Buchform. Sein „Erinnerungsbüro“macht er „immer dort, wo ich mich gerade befinde“, auf.
Mit seinem aktuellen Projekt kommt Mats Staub zum Ergebnis: „Erwachsensein bedeutet, Verantwortung übernehmen, Kindlichkeit bewahren, sich selbst verstehen und im Bewusstsein der Endlichkeit leben.“
Ausstellung: