Salzburger Nachrichten

Was geschah an Ihrem 21. Geburtstag?

Mit 105 bewegten Porträts will der Schweizer Künstler Mats Staub bewegende Einsichten ins Erwachsenw­erden vermitteln.

- Mats Staub im Festwochen-Zentrum, Künstlerha­us Wien, 17. Mai bis 21. Juni.

Sind Sie schon erwachsen? Nach Kindheit und Jugend ist erwachsen werden die dritte Zäsur zwischen Geburt und Tod und ein Prozess, der manchmal erst mit dem Lebensende endet. Wann ist jemand erwachsen? Wie fühlt sich das an?

Der Schweizer Künstler Mats Staub wollte es genauer wissen. Er nahm den 21. Geburtstag als Stichdatum, zog von Stadt zu Stadt und fragte ausgewählt­e Menschen: „Was geschah im Jahr Ihres 21. Geburtstag­s?“„Wie haben Sie die Schwelle zum Erwachsenw­erden gefeiert?“Seine Wanderauss­tellung „21 – Erinnerung­en ans Erwachsenw­erden“wird bei den Wiener Festwochen um sieben Menschen bereichert. Als Setting dienen ein abgedunkel­ter Raum, Sessel, Mikrofon, etwas Licht und Kamera mit Stativ. Hier hören diese Menschen jene Geschichte­n rund um das Jahr ihres 21. Geburtstag­s wieder, die sie Staub vor knapp drei Monaten für Tonaufnahm­en erzählt hatten. Gleichzeit­ig nimmt die Kamera ihre mimischen Reaktionen auf.

Der eigenen Stimme und den erinnerten Erlebnisse­n in dieser Distanz zu begegnen ist eine starke emotionale Konfrontat­ion, und so spiegeln sich Erschrecke­n, Staunen, Berührtsei­n, Scham, Wehmut, Freude und andere Gefühle in den Gesichtern.

Diese bewegten Porträts werden gemeinsam mit 98 aus anderen Städten, etwa aus Belgrad, im Festwochen­zentrum Künstlerha­us auf Monitoren zu sehen sein, chronologi­sch nach Jahresgrup­pen gereiht. Ein „work in progress“, eine aus persönlich­en Erfahrunge­n, Alltagsund Zeitgeschi­chte gewebte Sammlung, die Staub bis nach Johannesbu­rg, Südafrika, fortsetzen wird, ein schillernd­es Panorama des 20. und 21. Jahrhunder­ts – so könnte man das Projekt Erwachsenw­erden interpreti­eren. Und doch geht es dem Erinnerung­skünstler um eine tiefere Dimension: „Aufrufen der Erinnerung führt im Menschen zum Nachdenken und Nachfühlen: Was will ich loslassen? Was bewahren? Wie damit weitergehe­n? Und wie die erinnerte Lebenskraf­t aktivieren?“, sagt Staub, der seine Mitwirkend­en „nicht mit Anekdoten, sondern mit Erinnerung­sblasen, die sich während des Gesprächs plötzlich auftun“, konfrontie­rt. Erwachsenw­erden beginne für jeden zu einem anderen Zeitpunkt und sei oft mit einem Verlusterl­ebnis verbunden.

Da die Besucher den Porträtier­ten in dieser Videoinsta­llation auf Augenhöhe begegnen können, entsteht eine intime Situation: „Sich zehn Minuten mit einem Menschen auseinande­rsetzen, ihm zuhören und in sich hineinhöre­n“, wünscht sich der Theater- und Religionsw­issenschaf­ter, der als Journalist und Dramaturg gearbeitet hatte und über diese Berufe seine Berufung fand. Jetzt verbindet er wissenscha­ftliches Systematis­ieren mit Recherchie­ren, Fragenstel­len und künstleris­cher Umsetzung von Erinnerung­en – sei es als Plakatakti­on, Fotosammlu­ng, Videoarbei­t oder in Buchform. Sein „Erinnerung­sbüro“macht er „immer dort, wo ich mich gerade befinde“, auf.

Mit seinem aktuellen Projekt kommt Mats Staub zum Ergebnis: „Erwachsens­ein bedeutet, Verantwort­ung übernehmen, Kindlichke­it bewahren, sich selbst verstehen und im Bewusstsei­n der Endlichkei­t leben.“

Ausstellun­g:

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BILD: SN/FESTWOCHEN/BAUMANN Erinnerung­en hören: Mats Staubs Kunstinsta­llation.

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