Salzburger Nachrichten

Im größten Leid entsteht Licht

Am Sonntag wird in Salzburg „Tahrir“von Hossam Mahmoud uraufgefüh­rt.

-

Das Grundtempo dieser Oper ist langsam. „Largo“ist die vorherrsch­ende Tempobezei­chnung. Es ist der Puls des Werks, das der aus Ägypten stammende, dort und seit Langem auch in Salzburg lebende Komponist Hossam Mahmoud im Auftrag des Salzburger Landesthea­ters geschriebe­n hat. „Tahrir“heißt die „Oper zum Nachdenken“, aber sie bezeichnet nicht den berühmten Platz in Kairo, der zu einem Synonym der arabischen Revolution geworden ist. Aus dem Arabischen übersetzt heißt tahrir: Befreiung.

Schon ein Mal hat Mahmoud ein beeindruck­endes künstleris­ches Zeugnis gegeben für diesen Akt von Befreiung, den Ruf nach „Leben, Freiheit, Gerechtigk­eit“, der auch seine neue Oper bestimmt. In „18 Tage . . . . .“wurde die „Aktualität“ der Revolution kaleidosko­partig aufgefäche­rt und durch drei Paare exemplaris­ch veranschau­licht, wie sie ins Leben eingreift.

Aber weder in diesem Werk von 2013 noch in seiner neuen Oper will Hossam Mahmoud „Nachrichte­n zeigen, sondern Kunst schaffen“. Also: abstrahier­en, ins Allgemeing­ültige heben. „18 Tage . . . . .“höre man in „Tahrir“als Echo, sagt der Komponist. Damals drängte etwas von innen nach draußen. Jetzt habe sich die Richtung verändert. Es gehe um „die innere Befreiung, die passieren muss als Freisein von den Zwängen des Äußeren“. Die Hoffnung auf Wahrheit, Freiheit, Leben, Gerechtigk­eit werde nicht sterben, auch wenn der Einzelne – wie in „Tahrir“der Sohn, den die Mutter beklagt und für den sie sich auf die Seite der Revolution stellt – gestorben ist. „Die Revolution stirbt nicht“, ist Mahmoud überzeugt.

„Tahrir“ist somit kein aktuelles Statement zur Lage. Die Oper ist ein Horchen auf die inneren Stimmen. Aus leisen Klängen wird der Teppich gewoben, mit feinen Schattieru­ngen aus Mikrointer­vallen, die – typisch für diesen Grenzgänge­r zwischen Orient und Okzident – nur eine „arabische“Atmosphäre erzeugen, sie nicht real abbilden. Sein Instrument, die Oud, kommt in dem neuen Werk gar nicht vor, stattdesse­n „imitieren“Soloviolin­e, Harfe, Oboe, Englischho­rn, andere Blasinstru­mente, das Schlagzeug den Gestus, schaffen ein Idiom von „Fremdsein“. Gerade aus diesem Schwebezus­tand des Unbestimmt­en gewinnt die Partitur einen irritieren­den Reiz des Rätselhaft­en, Geheimnisv­ollen, zum Licht der Hoffnung Strebenden. Man sollte sich darauf einlassen. – Die Uraufführu­ng im Salzburger Landesthea­ter ist am 17. Mai um 19 Uhr.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria