Wir brauchen Glück im Leben
Heiner Lauterbach hat nach Jahren mittelprächtiger Fernseharbeiten wieder Zugang zu anspruchsvollen Stoffen gefunden. Den SN erzählte er, wie und warum.
Heiner Lauterbach spielt im Roadmovie „Letzte Ausfahrt Sauerland“einen Kauz und Menschenverächter, der Clint Eastwoods Figur in „Gran Torino“durchaus ähnelt. SN: Der Protagonist in „Letzte Ausfahrt Sauerland“erfährt, dass er bald sterben wird. Für ihn ist es Zeit für eine Lebensbilanz. Wann haben Sie Ihre erste Lebensbilanz gezogen? Lauterbach: Vermutlich beim Schreiben meiner ersten Biografie, vor zehn Jahren. Ich hatte damals nicht unbedingt damit gerechnet, dass das Aufschreiben meines Lebens auch eine Bilanz sein würde. Viele Leute, die ihr Leben aufschreiben, malen sich ja doch in den Farben, in denen sie sich schon immer gern sehen wollten. Dann wird so eine Biografie schnell zu einer nachträglichen Rechtfertigung. SN: Wie objektiv ist Heiner Lauterbach mit sich selbst? Natürlich bin ich nicht objektiv. Wenn man sich als Subjekt betrachtet, ist man immer subjektiv. Dennoch, glaube ich, war ich ziemlich ehrlich – das ist ein Unterschied. Es gibt Autobiografien, die sind wehleidig. Sie entschuldigen sich oder lassen vieles aus. All das habe ich nicht getan. Mein Rezept, mit den für mich nicht so schmeichelhaften Dingen umzugehen, war immer der Humor. Der hilft immer, wenn es eng wird – vor allem bei einem selbst. SN: Wenn Sie erfahren würden, dass Sie nur noch kurz zu leben hätten – wie groß wäre Ihre Angst vor dem körperlichen Verfall, vor dem Sterben? Natürlich hätte ich Angst. Ich bin ein sehr glücklicher Mensch und liebe mein Leben. Da fällt es umso schwerer, Abschied zu nehmen. Natürlich hoffe ich, sollte es mich treffen, dass ich mein Schicksal akzeptieren und tragen würde. SN: Viele Schauspieler sagen, dass man gerade in diesem Beruf extrem vom Zufall abhängig ist. Selbst außergewöhnlich talentierte Kollegen erzählen, dass es entscheidend für ihre Karriere war, dass sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren, um zum Beispiel jemanden zu treffen. Richtig, aber geht es nicht uns allen so? Überlegen Sie einmal, wenn Sie einen Partner haben, wie viele Zu- fälle zusammenkommen mussten, damit Sie diesen einen Menschen getroffen haben! Und wie entscheidend dieser Mensch Ihr Leben prägte. Trotzdem haben Sie recht. Schauspieler brauchen Glück ohne Ende, um es zu schaffen. Erst einmal ist es Glück, ob man Talent hat. Dann braucht man das Charisma, damit sich dieses Talent auch zeigen darf. Und man braucht jemanden, der dieses Talent erkennt und fördert. Wir brauchen alle Glück im Leben, immer und immer wieder. SN: Hatten Sie bisher immer Glück? Ich hatte eine Menge Glück. Aber natürlich auch meine Schattenseiten. Ich war schwer alkoholabhängig. Ich habe Drogen genommen. In meinem Leben ist nicht alles rosig verlaufen. Aber diese Dinge habe ich mir selbst zugefügt. Mir ist nicht irgendein Idiot ins Auto gerast. SN: Wann fühlen Sie sich heute glücklich? Wenn ich an meine Familie denke. An meine beiden jungen Kinder. Aber auch mein ältester Sohn macht mich sehr glücklich. Meine Frau macht mich jeden Tag geradezu unfassbar glücklich. Ich bin mir nicht sicher, wie mein Leben verlaufen wäre, hätte ich sie nicht getroffen. Darüber hinaus mache ich beruflich noch einmal eine schöne Entwicklung durch. Gemeinsam mit meinem Freund, dem Regisseur Niki Müllerschön, habe ich eine kleine Firma gegründet. Wir versuchen, interessante Stoffe für Kino und TV zu entwickeln. Der Gangsterfilm „Harms“war unser erstes Projekt. Der hat auch in Feuilletons Zuspruch bekommen. „Letzte Ausfahrt Sauerland“ist wieder eine Gemeinschaftsarbeit. Und es kommen noch viele Sachen, auf die ich viel Lust habe. SN: Was gefällt Ihnen am deutschsprachigen Fernsehen, und was finden Sie schrecklich? Mir gefällt, dass wir wahrscheinlich das beste frei empfängliche Fernsehen der Welt haben. Ich war überall auf der Erde und schaue dort fast immer TV-Programme, um einen Eindruck zu bekommen. Ich glaube nicht, dass es irgendwo sonst so viele gute Programme gibt wie die unserer öffentlich-rechtlichen Sender. Was mir nicht gefällt: dass auch diese Sender die Quote wie einen Götzen anbeten. Ich bin ein großer Verfechter der Idee des Fernsehens für die Masse. Aber mittlerweile kann ich bestimmte Formate nicht mehr sehen.
„Manchmal muss ich leider ausschalten.“
SN: Krimis vielleicht? Krimis sind okay, einen guten Thriller kann ich mir immer anschauen. Aber müssen immer Polizisten die Hauptrollen spielen? Wenn ich schon diese Schulterhalfter sehe, muss ich leider ausschalten (lacht).
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