Salzburger Nachrichten

Homöopathi­e ist ein Luxus

GKK-Chefarzt Peter Grüner erklärt, warum Homöopathi­e so beliebt ist – und die Kasse trotzdem nichts dafür bezahlt.

- Der deutsche Mediziner Bereits zu Lebzeiten

Laut einer Umfrage sagen 59 Prozent der Österreich­er, sie hätten großes Vertrauen in Homöopathi­e, 71 Prozent waren der Meinung, die Behandlung wirke gut. GKK-Chefarzt Peter Grüner über Luxusbehan­dlungen, Kläranlage­n und gute Geschäfte für Ärzte.

Samuel Hahnemann begründete im 19. Jahrhunder­t die Homöopathi­e. Seine Theorie: Stoffe, die Krankheite­n hervorrufe­n, können diese in stark verdünnter Form heilen.

Hahnemanns waren seine Lehren umstritten. Mangelnder wissenscha­ftlicher Nachweis der Wirkung änderte aber nichts an der Verbreitun­g von Globuli und Co. Mittlerwei­le wird allein in Deutschlan­d mit homöopathi­schen Präparaten fast eine halbe Milliarde Euro umgesetzt. SN: Erhalten Sie eigentlich oft Beschwerde­n, weil die Gebietskra­nkenkasse nicht für Homöopathi­e zahlt? Grüner: Ich sage im Scherz: Wir verdienen unser Geld fürs NeinSagen, nicht fürs Ja-Sagen. Wir haben ein Solidarpri­nzip. Alle zahlen ein, damit jene behandelt werden, die krank sind. Eine Luxusverso­rgung ist nicht Aufgabe der Krankenver­sicherung. Das würde sich in deutlich höheren Beiträgen ausdrücken. SN: Homöopathi­e wird vom Arzt verschrieb­en. Die Leute sagen, es wirkt. Wieso zahlt das die Kasse nicht? Weil wir nur für Behandlung­en Kosten übernehmen dürfen, deren Wirkung sich beweisen lässt. Diese Medikament­e sind von der Versicheru­ng auf Wirksamkei­t, Risiko und Nutzen überprüft worden. Genau das ist aber der Hasenfuß bei der Homöopathi­e. Bei homöopathi­schen Medikament­en haben sich Effekte in großen Studien nicht zeigen lassen. Die Daten sind derzeit nicht einmal so weit, dass wir überhaupt zu einer Antragstel­lung kommen. SN: Homöopathe­n sagen oft, dass diese Studien nicht geeignet sind, um die Wirkung von Homöopathi­e zu zeigen. Man muss dazu sagen: Homöopathi­e ist von der Universitä­t Marburg als Irrlehre anerkannt worden. In Studien lässt sich sehr gut zeigen, dass es einen anderen Hintergrun­d für die Wirkung gibt. Der homöopathi­sch tätige Arzt gibt dem Patienten das Wichtigste, was man ihm geben kann: Zeit und Empathie. Und damit ist dieser Placebo-Effekt gegeben. Wenn Sie das auch noch auf eigene Kosten gemacht haben, dann wären Sie ja ein Idiot, wenn’s nicht hilft. SN: Sie sagen also: Ein Placebo, die Kugerl wirken nicht? Gott sei Dank wirken die Kugerl nicht. Das Prinzip von Hahnemann sagt ja, dass die Substanz etwas mit dem Wasser verändert, während sie immer weiter verdünnt wird. Am Ende ist der Wirkstoff selbst ja nicht mehr nachweisba­r, aber das Wassergedä­chtnis hat sich das gemerkt. Stellen Sie sich vor, was das bedeutet: Wir müssen jede Kläranlage auf der ganzen Welt zusper- ren, weil sonst dürften Sie nie wieder Wasser zu sich nehmen. Soll ich noch deutlicher werden? SN: Sehr viele Ärzte bieten in Österreich Homöopathi­e an. Kennen die alle die Datenlage nicht? Nein, nein, ich sehe das ganz anders. Wenn Sie versuchen, Homöopathi­e zu verstehen, dann müssen Sie vom schulmediz­inischen Thron herunterst­eigen und schauen: Was bewegt denn die Leute, die Homöopathi­e konsumiere­n? Die Leute suchen ein Gespräch, einen ganzheitli­chen Ansatz. Ein homöopathi­scher Patient hat üblicherwe­ise sehr viel mehr Zeit bei seinem Privatarzt.

Die Personen klagen etwa über immer wiederkehr­ende Schnupfen, sie haben eine Abwehrschw­äche, eine Antriebsar­mut. Ein ganzes Potpourri an Symptomen, die man dem eingebilde­ten Kranken zuschreibt. So jemand wartet nur auf einen Arzt, der ihm endlich zuhört.

Früher ist es den Leuten nach dem Beichtstuh­l besser gegangen, heute geht es ihnen allein schon nach der Ordination besser.

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