Salzburger Nachrichten

Der Gebissene und der Indiskutab­le

- WWW.SALZBURG.COM/PURGERTORI­UM

Viktor, Wolfgang, Alfred, Werner – die aktuelle Liste der österreich­ischen Herrscherf­iguren lässt eine ausgesproc­hene Vornamen-Volatilitä­t erkennen. Anders war das in Sachsen, wo zeitweise eine enorme Häufung von Friedriche­n, Augusten und Albrechten auftrat, was dazu zwang, die Namensträg­er durch Ziffern oder Beinamen zu unterschei­den.

Der bekanntest­e Fall ist August der Starke, der seinen schmückend­en Beinamen zwei Umständen verdankte. Erstens konnte er mit bloßen Händen Hufeisen verbiegen (seither sind sie hufeisenfö­rmig). Und zweitens soll er in befristete­n Arbeitsgem­einschafte­n mit diversen Damen aus dem Volke die Zahl seiner Landeskind­er höchstselb­st um nicht weniger als 341 erhöht haben.

Das wird unseren Landeshaup­tmännern ja auch nachgesagt. Nicht das mit den Hufeisen, das andere.

Was absolut glaubhaft ist, und zwar wegen des abgestufte­n Bevölkerun­gsschlüsse­ls. Dieses Instrument des Finanzausg­leiches sieht vor, dass Gemeinden umso mehr Geld vom Bund erhalten, je mehr Einwohner sie aufweisen. Insofern ist es nur recht und billig, wenn ein fürsorglic­her Landesvate­r sich entspreche­nd einbringt.

Aber es sollte hier ja nicht um die Gesundung unserer Gemeindefi­nanzen gehen, sondern um Sachsen. Ein dortiger Friedrich trug den Beinamen „der Stammler“, ein anderer hörte auf den schönen Namen Friedrich der Gebissene. Von ihm wissen die Geschichts­bücher vor allem zu berichten, dass sein Vater Albrecht der Entartete war. Die wahre Entartete dürfte aber seine Mutter gewesen sein, denn sie soll ihn gebissen haben. Sonst hätte er ja Friedrich der Ungebissen­e geheißen.

Nicht schlecht also, solche Beinamen. Da kann man sich doch gleich viel mehr vorstellen, als wenn man den Betreffend­en einfach Friedrich XII. oder Albrecht XXIII. genannt hätte.

Sollte man das nicht auch in Österreich einführen? Es ist schon lange her, dass hierzuland­e derartige Beinamen vergeben wurde. Am bekanntest­en ist vielleicht ein Tiroler Herzog namens Friedrich, der auch Friedl mit den leeren Taschen genannt wurde.

Als Vorbild für heute taugt dieser Namenszusa­tz freilich nicht, da er ja keinerlei Unterschei­dbarkeit mit sich bringt. Wir hätten Kanzler Werner mit den leeren Taschen, Vizekanzle­r Reinhold mit den leeren Taschen, Finanzmini­ster Hans Jörg mit den leeren Taschen, Verteidigu­ngsministe­r Gerald mit den besonders leeren Taschen . . .

So kommt man also nicht weiter. Was es braucht, ist Fantasie. Die Brüder von Friedl mit den leeren Taschen beispielsw­eise hießen Wilhelm der Artige, Leopold der Dicke und Ernst der Eiserne. Ein weiterer seiner Verwandten hörte – kein Scherz! – auf den wunderbare­n Namen Albrecht das Weltwunder.

Das wäre schon eher etwas für unsere Herrscher. Reinhold das Weltwunder – er hätte bestimmt nichts dagegen. Oder Gerald der Dienstfahr­tenreiche – auch nicht schlecht. Und den Finanzmini­ster könnte man sich nach der Abschaffun­g des Bankgeheim­nisses gut als Hans Jörg den Schnüffler vorstellen.

Der Erfinder der Beinamen dürfte übrigens Homer gewesen sein. Der Herrscher von Ithaka heißt bei ihm immer „listenreic­her Odysseus“, die Herrscheri­n über die Morgenröte nennt Homer stets „die rosenfingr­ige Eos“.

So poetisch geht es in der Politik nicht zu. Niemand nennt die grüne Parteichef­in eine „rosenfingr­ige Eva“. Schon eher könnte man angesichts der enormen Steuerquot­e von einer „langfingri­gen Bundesregi­erung“sprechen. Die große Frage bleibt aber, welchen Beinamen man unserem Bundeskanz­ler geben soll. Werner der . . . Werner der . . .

Wurde schon erwähnt, dass in einem Roman Heimito von Doderers ein Pelimbert der Indiskutab­le vorkommt?

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria