Salzburger Nachrichten

Der Punktesieg ist nicht das Wichtigste

- Clemens Panagl CLEMENS.PANAGL@SALZBURG.COM

Sobald beim Song Contest das Finale vorüber und der Triumph gefeiert ist, macht in jedem Siegerland der gleiche Witz die Runde. Der neue Gastgeber müsse sich jetzt hüten, im nächsten Jahr gleich wieder ein Lied mit Siegeschan­cen ins Rennen zu schicken. Das würde nur eines bringen: Kosten.

Die Pointe vom Titelverte­idiger, der antritt, um nicht zu gewinnen, lässt sich auf kaum einem anderen Spielfeld so gut platzieren wie auf der Eurovision­sbühne. Seit 60 Jahren findet der Song Contest – trotz aller politische­n Aspekte, die sich aus dem Ländermatc­h lesen lassen – in einer künstliche­n Welt statt. Verbindung­stüren zur Wirklichke­it muss man bei keinem anderen Großereign­is so lang suchen. Als 2012 die Trackshitt­az in Baku vorzeitig einpacken mussten, gab es keinen Aufschrei, dass Musikerzie­hung und Nachwuchsf­örderung in Österreich wieder mehr wert sein müssen. Eine vergleichb­are Debatte brach erst wenig später los: bei den Olympische­n Spielen in London.

In Wien war diese Woche ebenfalls zu beobachten, dass Song-Contest-Beiträge meist nur im System Song Contest funktionie­ren. Auf dem freien Pop-Binnenmark­t, also in den offizielle­n Euro-Charts, spielen die Kandidaten kaum eine Rolle. Ausnahmen, wie die italienisc­hen Favoriten Il Volo oder im Vorjahr „Rise Like A Phoenix“bestätigen die Regel.

Um die Wurst geht es für das Gastgeberl­and Österreich bei der heutigen Siegerkür ohnehin nicht mehr. Punkte sammelten der ORF und Wien bereits im Vorfeld. Konzept und Organisati­on haben auf dem Weg zum Finale pannenfrei funktionie­rt. Und die Kosten werden mit einem erhofften Werbewert von 100 Mill. Euro aufgerechn­et.

Beim Finale in Wien könnte der Song Contest unterdesse­n erneut zeigen, was ihn zu Europas größter Eintrachts-Show macht. Euro-Hymnen aus England oder eine überrasche­nd stabile Performanc­e Griechenla­nds sind auf der politische­n Bühne nicht an der Tagesordnu­ng. In der Welt der ShowDiplom­atie ist alles möglich. Wer die meisten Punkte sammelt, ist nicht das Wichtigste.

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