Der Punktesieg ist nicht das Wichtigste
Sobald beim Song Contest das Finale vorüber und der Triumph gefeiert ist, macht in jedem Siegerland der gleiche Witz die Runde. Der neue Gastgeber müsse sich jetzt hüten, im nächsten Jahr gleich wieder ein Lied mit Siegeschancen ins Rennen zu schicken. Das würde nur eines bringen: Kosten.
Die Pointe vom Titelverteidiger, der antritt, um nicht zu gewinnen, lässt sich auf kaum einem anderen Spielfeld so gut platzieren wie auf der Eurovisionsbühne. Seit 60 Jahren findet der Song Contest – trotz aller politischen Aspekte, die sich aus dem Ländermatch lesen lassen – in einer künstlichen Welt statt. Verbindungstüren zur Wirklichkeit muss man bei keinem anderen Großereignis so lang suchen. Als 2012 die Trackshittaz in Baku vorzeitig einpacken mussten, gab es keinen Aufschrei, dass Musikerziehung und Nachwuchsförderung in Österreich wieder mehr wert sein müssen. Eine vergleichbare Debatte brach erst wenig später los: bei den Olympischen Spielen in London.
In Wien war diese Woche ebenfalls zu beobachten, dass Song-Contest-Beiträge meist nur im System Song Contest funktionieren. Auf dem freien Pop-Binnenmarkt, also in den offiziellen Euro-Charts, spielen die Kandidaten kaum eine Rolle. Ausnahmen, wie die italienischen Favoriten Il Volo oder im Vorjahr „Rise Like A Phoenix“bestätigen die Regel.
Um die Wurst geht es für das Gastgeberland Österreich bei der heutigen Siegerkür ohnehin nicht mehr. Punkte sammelten der ORF und Wien bereits im Vorfeld. Konzept und Organisation haben auf dem Weg zum Finale pannenfrei funktioniert. Und die Kosten werden mit einem erhofften Werbewert von 100 Mill. Euro aufgerechnet.
Beim Finale in Wien könnte der Song Contest unterdessen erneut zeigen, was ihn zu Europas größter Eintrachts-Show macht. Euro-Hymnen aus England oder eine überraschend stabile Performance Griechenlands sind auf der politischen Bühne nicht an der Tagesordnung. In der Welt der ShowDiplomatie ist alles möglich. Wer die meisten Punkte sammelt, ist nicht das Wichtigste.