„Burgenländer-Witze sind obsolet geworden“
Warum hat Stinatz so viele prominente Kinder? Was zieht einen Tiroler ins Burgenland? Und wie wird man im Flachland zur besten Snowboarderin?
EISENSTADT. Im Südburgenland ist die Welt noch in Ordnung. Wer tanken will, klingelt beim Tankwart und zahlt in bar, wer sein Auto nicht absperrt, braucht sich keine Sorgen zu machen. Noch dazu hängen derzeit landauf, landab Wahlplakate, die noch mehr Sicherheit versprechen. Herunter lächelt der rote Landeshauptmann Niessl, der als selbst ernannter „Sicherheitsgarant“am 31. Mai wiedergewählt werden will.
Auch in Stinatz ist Hans Niessl omnipräsent. Dort amtiert allerdings seit 2010 ein schwarzer Bürgermeister – nach jahrzehntelanger roter Vorherrschaft ein politisches Erdbeben, wenn auch ein kleines: Stinatz hat 1400 Einwohner, mit Nebenwohnsitzen sind es 1600. Erste Reaktion des Landes auf den Farbwechsel: Die zugesagte Förderung für das Feuerwehrhaus wurde zurückgenommen. Erste Amtshandlung von Bürgermeister Andreas Grandits: Neben „Gemeindeamt“wurde auch „Opcinski Stan“auf das Amtshaus geschrieben, also die kroatische Übersetzung. Sein Vorgänger, ebenfalls BurgenlandKroate, sei „vorsichtiger“gewesen, sagt er. Stinatz hat einen der höchsten Anteile von Burgenland-Kroaten: Zwei Drittel im Dorf gehören der Volksgruppe an, im Burgenland sind es gesamt rund sechs Prozent. Das kulturelle Leben ist rege, die Stinatzer Tamburizza-Gruppe kennt man weit über den Ort hinaus. Auf der Straße, in Kindergarten und Volksschule hört man Kroatisch und Deutsch. „Stinatz ist eine Insel“, sagt Grandits.
Die Zeiten, in denen ihre Sprache mitunter als minderwertig angesehen wurde – selbst von den eigenen Leuten –, sind vorbei. Längst hat die Zweisprachigkeit einen Wert. Aufgrund der unterschiedlichen Sprache und Kultur hätten die Burgenland-Kroaten aber einen „besonderen Ehrgeiz und Fleiß“entwickelt, sagt Grandits. Und da im Dorf niemand vom eigenen Grund und Boden lebt, die Gemeinde der größte Arbeitgeber ist und die meisten Stinatzer Pendler sind, wurden viele Kinder zum Studieren geschickt, damit sie es „einmal besser haben“. Die Akademikerquote ist hoch. Ob dieser Ehrgeiz und Fleiß auch der Grund dafür sei, dass so viele gebürtige Stinatzer so bekannt seien? Etwa Willi Resetarits, alias Ostbahn Kurti, sein Bruder, der Kabarettist Lukas Resetarits, die Grüne Terezija Stoisits oder Kabarettist Thomas Stipsits, der auch seine Wurzeln hier hat. Grandits lacht. „Gut mög- lich“, sagt er. Vielfalt sei jedenfalls eine Bereicherung. „Wer die Sprache verliert, verliert die Identität.“
Keine 25 Kilometer von Stinatz entfernt liegt Bad Tatzmannsdorf, der größte Kurort des Burgenlands. 2004 hat es einen Tiroler hierher verschlagen. Der Hotelier Karl J. Reiter vom Achensee wollte noch einmal etwas Neues aufbauen und hatte an Miami Beach oder Vietnam gedacht. „Dann bin ich über diesen Flecken Erde gestoßen und hab die Auslandspläne ad acta gelegt“, erzählt er. 120 Hektar Hügelland, zwei Hotels, ein Golfplatz. 40 Mill. Euro habe er investiert. Was ihm am Burgenland so gefällt? Das milde Klima, die Weite, die Offenheit, sagt er. Andererseits gehe es im Burgenland noch mehr um „Connections“als sonst wo: „Es ist bis in die kleinste Verästelung von Parteien und Interessenvertretungen durchdrungen.“
Reiter ist mit rund 350 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in der Region. Und obwohl die Arbeitslosigkeit im Bezirk Oberwart sehr hoch sei, sei es oft schwierig, gutes Personal zu finden. „Wir stehen in Konkurrenz mit den Stemplern“, sagt er. Er könne mitunter kaum mehr zahlen, als manche über das Arbeitslosengeld bekämen. Das sei ein großes Problem. Hinzu kämen immer mehr bürokratische Auflagen. „Aber das ist kein reines Burgenland-Thema. Man muss schon wie ich ein bisschen ein Besessener und Realitätsverweigerer sein, wenn man das macht. Wirtschaftlich lohnt es sich nicht.“
Julia Dujmovits Engagement hat sich jedenfalls gelohnt: Die 27-Jährige ist das, was es im Burgenland – der höchste Punkt in ihrem Heimatort Sulz ist 228 Meter hoch – gar nicht geben darf: Sie ist SnowboardOlympiasiegerin. Wie das? Als Kind bekam sie ein Board geschenkt. Und dann? War ihr klar, dass sie Snowboarderin werden will. Wie das ging? Mit vielen gefahrenen Kilometern und vielen Menschen, die sie dabei unterstützt haben. „Vor allem im Burgenland“, sagt sie.
Nebenher besucht Dujmovits eine FH im Burgenland und baut ein Beratungsunternehmen für Gesundheitsmanagement auf. „In Zukunft wird sich noch mehr herauskristallisieren, dass das Burgenland nicht nur ein guter Platz zum Leben, sondern auch zum Arbeiten ist“, sagt die „begeisterte Burgenländerin“, die im überparteilichen Personenkomittee für Niessl sitzt. Was sie am Burgenland so mag: „Die Leute, die Beschaulichkeit, die Natur.“Sollte sie einmal Kinder haben, möchte sie, dass sie im Burgenland „ihre Wurzeln haben und Flügel kriegen“. Was sie gar nicht mag, sind Burgenländer-Witze. Die seien angesichts der guten Entwicklung des Landes „obsolet geworden“.
„Ich bin für die Vielfalt der Kulturen.“