Der Kampf gegen die Terrormiliz IS wird lang dauern
Besiegen lassen sich die Dschihadisten nur, wenn die Sunniten im Irak und in Syrien politisch eingebunden werden.
Erneut hat die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) strategisch wichtige Städte erobert – zuerst Ramadi im Irak, dann Palmyra in Syrien. Wir erläutern die Hintergründe dieser Entwicklung. Welche Gebiete beherrscht der IS in diesem Moment? Im Norden und Westen des Iraks kontrollieren die Extremisten rund ein Drittel des Landes. Nach dem Vormarsch in Palmyra beherrscht der IS zudem mehr als 50 Prozent des syrischen Territoriums. Das ist zwar vor allem dünn besiedeltes Wüstengebiet. Doch das Gelände ist strategisch bedeutend, weil der IS Truppen und Waffen leicht bewegen kann. Durch den Sieg in Palmy- ra ist der Weg in Richtung der Städte Homs und Damaskus in Syriens Zentrum die vom Regime gehalten werden, frei. Was macht die militärische Stärke der Terrormiliz aus? Die IS-Anhänger zeichnen sich durch hohe Kampfmoral aus, sie starten ihre Offensiven meist mit Selbstmordattentätern. Die militärische Führung besteht vor allem aus gut geschulten Offizieren, die einst in der irakischen Armee unter Diktator Saddam Hussein kämpften. Die Extremisten besitzen ein großes Arsenal an schweren Waffen und gepanzerten Fahrzeugen, sie sind hoch mobil und können ihre Kräfte nach Bedarf schnell verlegen. Wie sind die Gegner der Extremisten aufgestellt? Die Armee des Iraks leidet unter Korruption. Die Truppen sind demoralisiert und schlecht ausgebildet. Als der IS im Juni 2014 die Großstadt Mossul einnahm, rannten sie weg.
Auch in Syrien sind die Regierungskräfte nach schweren Verlusten ausgelaugt. Das Regime kann nur dank massiver Hilfe aus dem Iran und von der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah überleben. Syriens säkulare Rebellen sind ebenfalls zu schwach, um den IS zu besiegen. Das von den USA gestartete Trainingsprogramm für gemäßigtere Kräfte kommt kaum voran. Ist denn der IS unbesiegbar? Nein. In den vergangenen Monaten mussten die Extremisten empfindliche Niederlagen einstecken. So scheiterten sie mit dem Versuch, die nordsyrische Stadt Kobane einzunehmen. Auch die nordirakischen Kurden konnten mit Waffenhilfe aus dem Westen und Luftunterstützung der internationalen Koalition den IS zurückschlagen. Schiitische Milizen und Regierungsarmee eroberten zudem im März die irakische Stadt Tikrit zurück. Das zeigt: Mit den richtigen Waffen und guter militärischer Organisation lässt sich der IS militärisch besiegen. Doch für größere Geländegewinne fehlen Bodentruppen. Die USA wollen keine Soldaten schicken. Der Aufbau der irakischen Armee wird noch lang dauern. Viel mehr Zeit braucht die Ausbildung gemäßigter syrischer Regimegegner. Lassen sich die Dschihadisten allein militärisch besiegen? Nein. Der IS lässt sich nur besiegen, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern. Viele Sunniten unterstützen den IS, weil sie die von Schiiten (Irak) oder von der Minderheit der Alawiten (Syrien) dominierten Regierungen hassen. Der Zerfall beider Staaten schafft ein Vakuum, das der IS ausnutzt. Erst mit Regierungen, von denen sich auch die Sunniten vertreten fühlen, kann ihm der Nährboden entzogen werden.