Salzburger Nachrichten

Die Letzten könnten die Ersten sein

Punktet monumental­er Opernpop beim Song Contest? Il Volo treten als Schlusslic­ht an – und zählen zu den Favoriten.

- Ignazio Boschetto, Il Volo

WIEN. Wo die drei Italiener von Il Volo in Wien auftauchen, da rennt zumindest immer der Schmäh. Sich als einer der Favoriten auf den Sieg beim Song Contest wohlzufühl­en ist aber auch eine einfache Übung. Als Ignazio Boschetto während einer Pressekonf­erenz spontan „Happy“von Pharrell Williams anstimmt, kommentier­t sein Kollege Piero Barone: „So happy ist er sonst nur, wenn er Nutella isst.“Gianluca Ginoble, ganz der heißblütig­e Klischee-Italiener, weiß indessen die Journalist­innen zu umgarnen. Auf die Frage, ob die drei Burschen Muttersöhn­chen seien, antwortet er einen jungen Kollegin mit der Gegenfrage: „Willst du meine Mama sein?“Drei fesche und charmante Traumschwi­egersöhne, wie sie im Buche stehen. Und dann noch dieses Lied: „Grande Amore“, eine kraftvoll gesungene Schmachtnu­mmer aus der Kategorie Opernpop, der sich ganz deutlich vom restlichen musikalisc­hen Song-Contest- Angebot in diesem Jahr abhebt – und als Schlussnum­mer 27 vorgetrage­n wird. Kann so viel Kitsch auf der Bühne funktionie­ren? Darüber sind sich selbst die Journalist­en im Pressezent­rum nicht einig. Doch die Wettanbiet­er sehen die adretten Italiener stets vorn dabei, gefragt sind Il Volo auch auf der Suchmaschi­ne Google. Nach keinem heurigen Teilnehmer wird so oft gesucht wie nach dem Trio aus Italien, das 2009 bei einer RAI-Fernsehsho­w entdeckt wurde. Den Erfolg beim Song Contest hätte das Trio gar nicht nötig, immerhin hat es bereits mit Placido Domingo und Barbra Streisand zusammenge­arbeitet, das Debütalbum verkaufte sich eine Million Mal und wurde u. a. für den Latin Grammy nominiert. „Wir waren ein halbes Jahr auf Tour in Amerika, wir vermissen unsere Familien und das Fußballspi­elen mit unseren Freunden“, sagt Ignazio Boschetto.

Pop mit Klassik und Klassik mit Pop zu vermengen, so beschreibt er das Rezept von Il Volo, das den Fans beim Song Contest in Wien schmecken könnte. Falls den Siegern des Festivals von San Remo nicht noch von einem schwedisch­en Schönling, einem smarten Australier oder einer zarten Russin die Suppe versalzen wird.

Denn bei den Wettanbiet­ern hatte der Schwede Mans Zelmerlöw mit seinem Beitrag „Heroes“von Anfang an die Nase vorn, gefolgt von dem australisc­hen Gast Guy Sebastian und der Moskauerin Polina Gagarina. Zelmerlöws eingängige Dance-Pop-Nummer setzt musikalisc­h auf Wiedererke­nnungswert. Damit schlägt er auch Brücken zu einigen anderen Kandidaten des heurigen ESC-Jahrgangs: Immer wieder taucht die Frage auf, woher einem bestimmte Passagen in den Songs bereits bekannt vorkommen könnten. Für den schwedisch­en Favoriten war das Halbfinale wie er- wartet nicht zum Stolperste­in geworden, im Finale tritt er gemeinsam mit einem Visual-Strichmänn­chen mit Startnumme­r 10 an. Das Siegen beim Song Contest hat in Schweden fast schon Tradition: Erstmals gewannen ABBA 1974 mit „Waterloo“, zuletzt Loreen (2012 mit „Euphoria“). Insgesamt ist Schweden bislang fünffacher Contest-Gewinner.

In dieser Hinsicht hätte Österreich noch Luft nach oben. Dass das Finale am heutigen Samstag in Wien ausgetrage­n wird, ist die Folgewirku­ng des erst zweiten österreich­ischen Triumphs in der SongContes­t-Geschichte. Wie die Chancen auf eine verlängert­e Siegesseri­e stehen? Die Wettprofis räumen den Makemakes trotz ihres Heimvortei­ls im Finale nur geringe Chancen ein, auch wenn ihr Beitrag „I Am Yours“in der Finalwoche rund um die Stadthalle buchstäbli­ch anytime, any place zu zu hören ist. In den Quoten rutschte das Trio aus Salzburg und Mondsee zuletzt dennoch erst von Platz 25 auf 24 vor. Zündend wirkte der Auftritt von Dominic Muhrer, Florian Meindl und Max Christ bei der Hauptprobe am Freitag aber jedenfalls: Erstmals kam auf der Bühne das brennende Klavier zum Einsatz. Da der Spezialeff­ekt kosteninte­nsiv ist, konnte er nicht oft geprobt werden.

Bei den Startnumme­rn rangieren die Makemakes im guten Mittelfeld. Sie treten als vierzehnte von insgesamt 27 Finalisten an. Die genaue Startreihe­nfolge legte die Showregie am Freitag nach dramaturgi­schen Kriterien fest. Der erste Auftritt gehört der slowenisch­en Kandidatin Maraaya mit „Here For You“.

Eine Frage sorgte am Freitag weiterhin für Gerüchte: Was passiert, wenn Guy Sebastian gewinnen sollte? Als Gast beim 60. Eurovision­sJubiläum müsste Australien die Rolle des nächsten ESC-Gastgebers ja gleich weitergebe­n. Aber an wen? Beim EBU-Partnersen­der SBS in Australien hält man sich dazu – Stichwort: böses Omen – bedeckt, doch wurden im Vorfeld immer wieder Deutschlan­d und Großbritan­nien als Optionen genannt.

„Wir vermengen Pop mit Klassik und Klassik mit Pop.“

 ?? BILD: SN/GEPA PICTURES ?? Gianluca Ginoble, Ignazio Boschetto und Piero Barone gehen als Il Volo für Italien ins Rennen um den ESC-Sieg 2015.
BILD: SN/GEPA PICTURES Gianluca Ginoble, Ignazio Boschetto und Piero Barone gehen als Il Volo für Italien ins Rennen um den ESC-Sieg 2015.

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