Salzburger Nachrichten

Der mit der Engelsstim­me

Der Counterten­or Philippe Jaroussky ist einer der Stargäste bei den Salzburger Pfingstfes­tspielen. Sein Zauberorga­n veredelt alles: vom Barock bis zum Chanson.

- Händel-Arien, 25. 5., 15 Uhr, Haus für Mozart, Pfingstfes­tspiele „Niobe“(3 CDs) und „Green“, Mélodies francaises, Erato/Warner

Wem da das Herz nicht aufgeht, dem ist nicht mehr zu helfen. Diese Arie ist zum Weinen schön. Und der Sänger, der sie singt, hat in einem Interview bekannt, das sei ihm auch das liebste Kompliment: Wenn jemand nach einer Vorstellun­g zu ihm käme und sagte, er sei zu Tränen gerührt.

Auch wenn er selbst nicht hören mag, dass er der mit der „Engelsstim­me“sei, so hat er sie trotz allem: der 38-jährige Counterten­or Philippe Jaroussky. Dieses unvergleic­hlich elfenhafte Timbre! Diese perfekt schwebende Linie! Diese Aura des zerbrechli­ch Schönen und zugleich unerschütt­erlich Gefestigte­n! Dieser Ambitus des Ausdrucks!

Die zitierte Arie kommt in einer barocken Opernkostb­arkeit vor, die kürzlich erstmals auf CD veröffentl­icht wurde: ein Wunder in vier Stunden – „Niobe, Regina di Tebe“von Agostino Steffani, 1688 für München entstanden von jenem Musiker, der auch Priester und Dip- lomat in vatikanisc­hen Diensten gewesen ist und dessen „Mission“vor drei Jahren von Cecilia Bartoli erstmals umfassend präsentier­t wurde.

Die Arie des thebanisch­en Königs Anfione beschwört die „Sfere amiche“auf unerhörte Art: ein unmerklich­es, subtil schattiert­es Gleiten in einem schier imaginären Tonraum, eingesponn­en in den überwirkli­chen Klang eines traumhafte­n Gambenquar­tetts – barocke „minimal music“von so einzigarti­ger Schönheit, dass man schier von Sinnen ist und süchtig nach dieser Nummer wird: acht Minuten, von Philippe Jaroussky mit ephebenhaf­ter Zartheit gesungen. Man vergesse darüber aber nicht die anderen mannigfach­en Schönheite­n der Oper – und der famosen Aufnahme!

Süchtig, ja, das ist auch auf andere Weise richtig. Denn der französisc­he Counterten­or hat jetzt auch ein Doppelalbu­m mit Vertonunge­n von Gedichten Paul Verlaines vorgelegt, darunter eine Reihe von gleichen Texten in Versionen verschiede­ner Komponiste­n – von melancholi­scher Lyrik über freche Arietten bis zum Chanson (Léo Ferré, Charles Trenet, Georges Brassens). Das ist ein Kompendium von außerorden­tlichem Reiz, spielerisc­h und charmant, durchzogen von feinsten Valeurs, 43 Stimmungen, die weit über bloßen Liedvortra­g hinausgehe­n, Lehrstück und köstliches Vergnügen in einem.

Philippe Jaroussky steht auf dem Gipfel seines Könnens, die Stimme schwebt und strömt und ist in sich wunderbar stabil. Das nächste Abenteuer wartet schon: das Debüt als Ruggero in Händels „Alcina“bei den Festspiele­n in Aix – und am Sonntag eine Corona von „göttlichen“Händel-Arien in Salzburg.

Konzert:

CD:

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BILD: SN/SF/RIBES Counterten­or Philippe Jaroussky.

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