Keine Begrüßungen!
ICHhasse es. „Sehr verehrter Herr Bundespräsident (klatschklatschklatsch), hoch geehrter Herr Nuntius (klatschklatsch), sehr geschätzte Vertreter des Diplomatischen Korps (klatsch), liebe Mitglieder der Bundesregierung (nix), kampfbereite Mitglieder der Furcht erregenden Generalität, werte Abgesandte der sagenumwobenen Landeshauptleutekonferenz, Eminenzen und Exzellenzen, hohe Festgemeinde, sehr geehrte Damen und Herren!“
Wenn ein Festredner an dieser Stelle angelangt ist, bin ich schon draußen aus dem Saal. Weil das halte ich nicht aus. Weil ich bin allergisch auf Zeitverschwendung.
Vorsorglich setze ich mich bei solchen Gelegenheiten immer schon auf einen Rand- platz in der letzten Reihe oder bleibe gleich beim Ausgang stehen. Und wenn einer anfängt mit „Ich begrüße sehr herzlich den Präsidenten der Präsidentenkonferenz der präsumtiven Präsidialpräsidialisten“, dann gebe ich sofort das, was man aus geheimnisvollen Gründen Fersengeld nennt.
Weil dann weiß ich schon, was kommt. Dann steht der Präsident auf, tut überrascht (obwohl er schon ganz ungeduldig auf seine Erwähnung gewartet hat), verbeugt sich umständlich, badet im Applaus und will sich gar nicht wieder hinsetzen.
Es ist fürchterlich. Aber es geht unerbittlich weiter: „Und jetzt begrüße ich besonders herzlich den Vizepräsidenten der Vizepräsidentenkonferenz der . . .“– Aber, wie gesagt, da bin ich längst draußen bei der Tür. Ich bin schließlich in einem Alter, in dem man mit seiner Rest-Lebenszeit sorgsam umgehen muss. Also keine Zeitverschwendung. Und vor allem: keine Begrüßungen!
Ich meine, „Der Ring des Nibelungen“dauert 14 Stunden. Aber diese Zeit ist gut angelegt, da ist keine Minute zu viel. Das beginnt ja auch nicht damit, dass sich irgendwer auf die Bühne stellt und sagt: „Sehr verehrter Herr Wotan, sehr garstiger Herr Alberich, strahlende Frau Brünnhilde, werte Rheintöchter, sehr geschätzte Walküren, liebe Mitarbeiter in Nibelheim.“
Nirgendwo gibt es solche Begrüßungsorgien. Nur bei öffentlichen und politischen Reden. Woran liegt das nur? Ich vermute, es gibt einen ganz einfachen Grund: Die Eitelkeit ist ein Hund.