Salzburger Nachrichten

Der Fänger beim Üben

Was J. D. Salinger (1919–2010) verboten hat, passiert nun doch: Seine frühen Geschichte­n erscheinen.

- Sebastian Fasthuber

Es gibt zwei Jerome David Salingers. Der eine ist der berühmte Autor, dessen Entwicklun­gsroman „Der Fänger im Roggen“millionenf­ach verkauft wurde und Jugendlich­e wie Erwachsene weltweit in seinen Bann zog. Der andere ist der Mann, der mit diesem Ruhm nicht umgehen konnte, aus der Öffentlich­keit verschwand und sich jahrzehnte­lang in seinem Haus in New Hampshire verschanzt­e.

In Europa ist vor allem Salingers Roman aus dem Jahr 1951 bekannt, in den USA wurde er bald zum Mythos, eben weil der Autor sich tot stellte und nach 1965 auch nichts mehr publiziert­e. Das brachte zahlreiche Gerüchte in Umlauf. Je länger er schwieg, desto legendärer wurde J. D. Salinger. Niemand wusste, was er in späte- ren Jahren noch geschriebe­n haben mochte – und ob er überhaupt noch schrieb. Laut einer neuen US-Biografie hat er. Es soll einen unveröffen­tlichten Roman, zwei Bände mit Erzählunge­n und noch einiges mehr geben, das in der langen Phase des Schweigens bis zu seinem Tod 2010 entstanden ist. All dies soll in den nächsten fünf Jahren veröffentl­icht werden.

Bevor diese Salinger-Welle anrollt, ist mit „Die jungen Leute“quasi als Vorbote ein kleiner, schmaler Band mit Frühwerken erschienen. Er enthält seine ersten literarisc­hen Veröffentl­ichungen: drei Kurzgeschi­chten, die zwischen 1940 und 1944 in Zeitschrif­ten publiziert worden sind. Für sich genommen sind diese Texte, die von Studentenp­artys und leichtlebi­gen Frauen handeln, keine großen Werke. Aber man kann schon Salingers Stil erahnen. Lässig und beiläufig lässt er seine Figuren reden. Das Eigentlich­e, das sie gern ansprechen würden, umkreisen sie lediglich. Was wichtig ist, wird nur angedeutet.

Die mit Abstand stärkste Geschichte ist die letzte. „Einmal die Woche bringt dich schon nicht um“hat Salinger geschriebe­n, kurz bevor er in den Zweiten Weltkrieg musste. Es geht darin um einen Mann, der sich von seiner Frau und seiner Tante verabschie­det, weil er eingezogen wird.

Thomas Glavinic konstatier­t in seinem Nachwort: „Große Literatur entsteht vor allem dann, wenn ein Autor aus der Mitte seiner Zeit heraus schreibt.“Das gelte für den frühen Salinger. Dass er später ver- stummt ist, legt Glavinic ihm als Schwäche aus: „Er hatte es sich leicht gemacht. Denn Leben bedeutet: Freunde. Es bedeutet, dass man zusieht, wie Freunde sterben.“Da hat er recht. Aber noch ist das letzte Wort über J. D. Salinger längst nicht gesprochen.

 ??  ?? J. D. Salinger: Die jungen Leute, Drei Stories, aus dem amerikanis­chen Englisch von Eike Schönfeld, Nachwort von Thomas Glavinic, 67 Seiten, Piper Verlag, München 2015.
J. D. Salinger: Die jungen Leute, Drei Stories, aus dem amerikanis­chen Englisch von Eike Schönfeld, Nachwort von Thomas Glavinic, 67 Seiten, Piper Verlag, München 2015.

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