Hickhack um Flüchtlinge ist beschämend
Die Politik hat es geschafft, aus einem humanitären Thema eines mit krimineller Schlagseite zu machen.
Österreich hat eine große Tradition als Aufnahmeland für Flüchtlinge. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben hier rund zwei Millionen Menschen in Not Unterschlupf gefunden. 700.000 sind geblieben und mittlerweile gute Staatsbürger.
Die größte Aufgabe mussten die selbst noch vom Krieg gezeichneten Österreicherinnen und Österreicher 1956 und 1957 während der Ungarnkrise stemmen. Damals sind 180.000 Menschen über die Grenzen zu uns geflüchtet. Gut zehn Jahre später baten 162.000 Tschechoslowaken um Aufnahme, und Anfang der 90er-Jahre klopften täglich bis zu 500 Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien an die Türen Österreichs. Sie wurden mit offenen Armen empfangen.
Heute sind die Arme verschränkt. Das offizielle Österreich nimmt gegenüber Flüchtlingen eine reservierte Haltung ein. Zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hat sich ein beschämendes Hickhack um die Unterbringung der Asylbewerber entwickelt. Gegenseitig schieben sich die zuständigen Politiker den Schwarzen Peter zu. Die Innenministerin bringt den Verteidigungsminister mit der Errichtung von Zeltstädten in Zugzwang. Der Verteidigungsminister erklärt sich bereit, Kasernen für die Erstaufnahme zur Verfügung zu stellen. Prompt regen sich deshalb Landeshauptleute und Bürgermeister auf. Es ist traurig, wie hier Menschen in Not zum Spielball politischer Eitelkeiten werden.
Was ist geschehen, dass viele Bürger im Gegensatz zu früher dem Flüchtlingsthema reserviert gegenüberstehen? Sind sie heute weniger human eingestellt als noch vor 25 oder gar 50 Jahren?
Gewiss nicht. Die Spendenfreudigkeit ist größer denn je. Alle Umfragen zeigen, dass die Österreicherinnen und Österreicher helfen möchten. Am liebsten aber in der Ferne. Die Aufnahme von Flüchtlingen bei uns sehen sie skeptisch.
In einer Zeit der permanenten Finanzkrise, in der die Arbeitslosigkeit steigt, in der viele um ihre sichere Pension fürchten, steigt die Angst vor Wohlstandsverlust. Asylbewerber werden plötzlich nicht mehr als Menschen angesehen, denen man unbedingt helfen muss, sondern als Mitbewerber um den Job oder Unterstützungen.
Die Politik hat es verabsäumt, für ein Gefühl der sozialen Sicherheit zu sorgen, und damit den Boden für Existenzängste aufbereitet. Nationalisten aller Couleurs schüren diese Ängste gnadenlos.
Zu allem Überfluss wurde das Flüchtlingsthema in der öffentlichen Debatte in das Kriminal abgedrängt. Schon einen Tag nachdem im Mittelmeer Hunderte Menschen auf der Flucht ertrunken waren, wurde auf der politischen Ebene die Sprache gewechselt. Es ging nicht mehr um dringend notwendige Hilfe in einer humanitären Katastrophe, sondern um Schlepperbanden, denen man das Handwerk legen müsse. Die Spindoktoren der europäischen Politik haben es mithilfe vieler Medien geschafft, aus einem Thema der Menschlichkeit ein Thema des internationalen Strafund Kriegsrechts zu machen. Das ist ein Ablenkungsmanöver, wie es in jedem Lehrbuch für politische Kommunikation steht. So ähnlich hat es ja auch bei den Bettlern funktioniert. Das eigentliche Thema, nämlich, dass es in Europa mitten unter uns große Armut gibt, wurde uminterpretiert und negativ aufgeladen mit den Begriffen Schlepperei und Ausbeutung. Und gegen die muss man ja vorgehen.
Da ist es dann nur noch ein Katzensprung zum absurden Vorschlag, Schlepperboote zu zerstören. Damit würde nur erreicht, dass Menschen am Ende mit Luftmatratzen und Schlauchbooten in den sicheren Ertrinkungstod aufbrechen.
Warum die Österreicher noch zurückhaltend sind: Viele europäische Staaten stehlen sich aus ihrer Verantwortung und nehmen keine Flüchtlinge auf. Das passt nicht zur Solidargemeinschaft EU.
Nicht die ängstlichen Österreicher sind schlecht. Die von der Politik geschaffenen Umstände sind es. Die zu ändern wird dauern. So lang können die Flüchtlinge nicht warten. Sie brauchen unsere Hilfe jetzt.
Es ist schön zu sehen, dass immer dann, wenn der Staat seine Rolle nicht erfüllt, die Zivilgesellschaft einspringt. Den Beginn hat der Salzburger Hotelier und Gastronom Sepp Schellhorn gemacht. Er öffnet ein Personalhaus und nimmt bis zum Beginn der Wintersaison 40 Flüchtlinge auf. Schellhorn tut dies nicht, wie er sagt, als Neos-Abgeordneter, sondern als Mensch.
So ist zu hoffen, dass viele seinem Beispiel folgen und mit ihrem Einsatz und ihrer Hilfsbereitschaft die Politik beschämen werden.