Salzburger Nachrichten

Tödliches Geschäft mit Flüchtling­en in Fernost

Menschenhä­ndler betreiben Flüchtling­slager im Dschungel. Gedeckt werden sie vermutlich durch Geheimdien­ste und einflussre­iche Kreise. Jetzt sind Massengräb­er gefunden worden.

- WILLI GERMUND

Skrupellos­e Schlepper haben in Südostasie­n womöglich Hunderte Flüchtling­e und Migranten ermordet oder sterben lassen. In Malaysia entdeckte die Polizei in Padang Besar an der Grenze zu Thailand 139 Gräber mit teilweise mehr als zwei oder drei verscharrt­en Leichen. Bei den Opfern handelt es sich offenbar um Angehörige der in ihrer Heimat Burma verfolgten muslimisch­en Minderheit der Rohingya oder Menschen aus Bangladesc­h.

Das Schicksal der Rohingya ist das jüngste Flüchtling­sdrama in Südostasie­n – Tausende Notleidend­e verlassen auf überfüllte­n Fischerboo­ten ihre Heimat und werden prompt von der Marine Indonesien­s, Thailands und Malaysias zurück aufs of- fene Meer gedrängt. Jene, die es an Land schaffen, sind nicht viel besser dran: Menschenhä­ndler verfrachte­n viele Leute in Camps und erpressen ihre bitterarme­n Familien, für die Passage oder Freilassun­g Geld zu zahlen. Mehrere solcher Flüchtling­slager wurden jetzt im Dschungel entdeckt. Es ist anzunehmen, dass die Menschenhä­ndler von poli- tisch einflussre­ichen Kreisen in Bangkok und von Malaysias Geheimdien­st gedeckt wurden.

Mehr als 130.000 Rohingya leben seit blutigen Unruhen 2012 in Burma in Internieru­ngslagern. Die Regierung verweigert­e ihnen grundlegen­de Versorgung. Im Nachbarlan­d Bangladesc­h fliehen viele vor der Armut.

Man habe nichts mit den brutalen Methoden der Menschenhä­ndler zu tun, hieß es in Malaysia, während sich in Südostasie­n die humanitäre Krise um Tausende von Rohingyas zuspitzte. Doch dann kam am Wochenende das böse Erwachen. „Wir haben 139 Gräber entdeckt und sind nicht sicher, wie viele Tote sich in jedem Grab befinden“, musste Polizeiche­f Khalid Abu Bakar zugeben, „außerdem entdeckten wir 28 verlassene Gefangenen­lager.“Die Behörden gehen von mindestens drei bis vier Opfern pro Grab im Dschungel aus.

Am 1. Mai hatte Thailand nur ein paar Kilometer entfernt auf der an- deren Grenzseite im Urwald ein Massengrab mit 26 Leichen entdeckt. Der neue Fund erweckt den Verdacht, dass beiderseit­s der Grenze seit mindestens fünf Jahren ein komplettes Menschenha­ndelssyste­m existierte.

Rohingyas aus dem Arakan-Staat in Burma und dem benachbart­en Bangladesc­h wurden mit dem Verspreche­n einer besseren Zukunft für den Preis von etwa 100 Dollar pro Kopf auf Seelenverk­äufer gelockt und Richtung Thailand und Malaysia verschifft. Statt der erhofften Arbeitsplä­tze gab es Qualen, Folter und Tod in einsamen Urwaldlage­rn. Freigelass­en wurden nur Flüchtling­e, deren Verwandte rund 2000 US-Dollar berappten. Ohne Lösegeld ließen die Schmuggler die Gefangenen verhungern und verdursten. In einigen Fällen wurden sie offenbar erschlagen.

„Wir sind schockiert“, erklärte Kuala Lumpurs Innenminis­ter Zahid Hamidi. Dabei wusste zumindest Kuala Lumpurs Geheimdien­st schon lange Bescheid.

Er wacht seit Jahrzehnte­n genau über die Grenze zu Thailand. Die islamistis­chen Rebellen, die in Thailands Süden gegen die Zentralreg­ierung kämpfen, brauchen die Zustimmung des Nachrichte­ndienstes für einen Wechsel über die Grenze, die auch von Drogen- und Waffenschm­ugglern genutzt wird.

Auch im benachbart­en Thailand genossen die Menschensc­hmuggler Deckung in allerhöchs­ten Kreisen. Seit Auffliegen des Schmuggeln­etzwerks tauchten zwei Marineoffi­ziere unter, ein im Süden stationier­ter Armeegener­al, der erst vor Wochen von Bangkoks Militärjun­ta befördert wurde, wird vom Regime im Königreich gedeckt.

Die Marine von Indonesien und Malaysia sucht gegenwärti­g nach etwa 7000 Menschen, die auf Seelenverk­äufern im Golf von Bengalen umherirren sollen. Etwa 3000 durf- ten in den beiden Ländern an Land und wurden für zunächst ein Jahr in provisoris­chen Lagern beherbergt. Ursprüngli­ch hatten die Seestreitk­räfte die Bootsflüch­tlinge zurück aufs offene Meer gedrängt.

Neben etwa 100.000 Vertrieben­en im Norden versorgt die UNO 140.000 Rohingyas im Westen Burmas. Doch von den 190 Millionen US-Dollar, die heuer für die Versorgung nötig sind, wurden bislang nur 54 Millionen bereitgest­ellt.

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BILD: SN/APA/EPA/FAZRY ISMAIL Letzte Etappe einer gefährlich­en Reise. In Malaysia werden die sterbliche­n Überreste der burmesisch­en Flüchtling­e geborgen.

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