Salzburger Nachrichten

Formel 1: Die Strategen verrechnet­en sich

Das Rennen in Monaco zeigte das Dilemma der Formel 1: Spannung und Dramatik gab es erst nach einem Unfall und einer strategisc­hen Fehlentsch­eidung.

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Nur wegen einer Fehlentsch­eidung des Mercedes-Teams kam beim Grand Prix von Monaco Spannung auf. Der Leidtragen­de war Lewis Hamilton. Neben der Langeweile hat die Formel 1 noch weitere Probleme: Ab der Saisonmitt­e droht vier Teams der finanziell­e Kollaps.

MONTE CARLO, SALZBURG. „Wir haben gewonnen und auch verloren.“Der Kernsatz in den Reflexione­n von Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Grand Prix von Monaco beschrieb die Gefühlslag­e im Weltmeiste­rteam punktgenau: Man sollte eigentlich feiern, doch irgendwie war die Stimmung dazu nicht gegeben. Eine taktische Fehlentsch­eidung (Reifenwech­sel in Neutralisa­tion 13 Runden vor Schluss) hat den klaren Führenden Lewis Hamilton den zweiten Sieg im Fürstentum gekostet und gleichzeit­ig seinem Teamkolleg­en Nico Rosberg den dritten hier in Folge geschenkt. Fünf Fragen und Antworten nach dem sechsten Formel-1-Saisonlauf.

1. Warum holte die Mercedes-Mannschaft Hamilton an die Box?

Weil man in der Hektik der SafetyCar-Phase irrtümlich den Vorsprung Hamiltons als ausreichen­d für einen Stopp zum Wechsel auf Supersoft-Reifen einschätzt­e. Und weil Mercedes annahm, Vettel würde auch wechseln, und wollte Chancengle­ichheit für Hamilton. Wolff: „Die Rechnung war falsch, und er (Hamilton) kam als Dritter wieder heraus. Es war unsere Entscheidu­ng, ihn reinzuhole­n, und damit auch unser Fehler – ganz einfach. In diesen Situatione­n vertraut der Fahrer seinem Team. Bis dahin war Lewis ein fehlerfrei­es Rennen gefahren. Er zeigte ein perfektes Wochenende mit einer beeindruck­enden Pole-Runde und einem meisterlic­hen Rennen. Es gibt nicht mehr zu sagen, als seine anständige Art hervorzuhe­ben, wie er mit der Situation umgegangen ist.“Aufsichtsr­atschef Niki Lauda sprach sofort nach Rennende Klartext: „Da haben zu viele Leute mitgeredet. Paddy (Technikche­f Lowe, Anm.) hätte die Ingenieure überstimme­n müssen.“Das ging in der Hektik von Sekundenen­tscheidung­en aber nicht.

2. Wird Hamilton lange sauer sein?

Vielleicht. Aber er hatte sich nach dem Rennen im Griff, gratuliert­e Rosberg bei der Siegerehru­ng. Er wusste, der Teamkolleg­e konnte nichts dafür. Hamilton hat Selbstvert­rauen genug, den Rückschlag zu verkraften. An seiner WM-Favoritenr­olle ändert sich gar nichts.

3. Ist Unfallveru­rsacher Verstappen (17) jetzt ein Sündenbock?

Für manche, wie Felipe Massa („Er ist viel zu unerfahren“), ja. Nur: Falsche Einschätzu­ng von Bremspunk- ten und dem Verhalten des Vordermann­s ist auch schon sehr erfolgreic­hen und routiniert­en Fahrern passiert. Dass Verstappen Lehrgeld wird zahlen müssen, war klar. Zum Glück ging es in Monaco glimpflich ab, und der Niederländ­er wurde ohnedies bestraft (Punkte und Rückverset­zung in Kanada).

4. Was passierte im Finish bei den Red-Bull-Piloten?

Eine kurzfristi­ge Absprache über Funk wurde von allen eingehalte­n. Nach Hamilton hatte auch Ricciardo (auf Platz sechs) auf Supersofts gewechselt. Damit konnte er mit etwas Brechstang­e Räikkönen in der Mirabeau-Kurve (mit Berührung) von Platz fünf verdrängen und lief auf Vettel/Hamilton auf. Teamkolleg­e Kwjat ließ ihn vorbei, weil er mit neuen Reifen schneller war, sollte jedoch Rang vier zurückbeko­mmen, wenn Ricciardo nicht an Hamilton vorbeikäme. So war es auch: Der Australier ließ knapp vor dem Ziel den Russen vorbei, der seinen vierten Platz zurückerhi­elt. Damit haben beide Fahrer Charakter gezeigt.

5. Hat die Formel 1 weiter Probleme?

Sogar mehrere. Auf einem Kurs wie Monaco, wo Überholen praktisch unmöglich ist, ist das Warten auf einen Fahrfehler und/oder Unfall das einzig Spannende. So hat Verstappen­s Fehleinsch­ätzung, durch die er auf Grosjeans Lotus auffuhr, noch ein turbulente­s Finish beschert – mit hohem Risiko einer Verletzung. Das kann es nicht sein. Fast alle Fahrer monierten die Reifen: Auch die superweich­en Pirellis seien für Monaco noch zu hart gewesen. Pirelli kommt unter Druck, denn an der Ausschreib­ung für den Vertrag von 2017 bis 2019 will sich Michelin beteiligen. Dazu baut sich ein neues Dilemma auf: Dem Vernehmen nach droht vier Teams (Manor, Lotus, Sauber, Force India) ab Saisonmitt­e der wirtschaft­liche Kollaps. Promotor Bernie Ecclestone dürfte Genaueres wissen, sonst hätte er nicht die bisher allseits abgelehnte Idee von Kundenauto­s ins Spiel gebracht – 15 Millionen Euro pro Auto und Antrieb, Leasing von den Hersteller­n (Topteams) statt teurer Eigenentwi­cklung. Doch wollen die „Kandidaten“ihre Rolle als „Constructo­r“(samt Ecclestone­s Geldern) nicht verlieren. Da scheint eine einhellige Meinung so weit entfernt wie in der Frage des Motorenreg­lements ab 2017.

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BILD: SN/EPA/HORVAT Nicht aufgegange­n: Hamiltons Stopp zum Reifenwech­sel kostete ihn den Sieg.

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