Salzburger Nachrichten

Die geheime Welt der Frauen

Der Handel ist im Umbruch. Doch was auch in Zukunft funktionie­ren wird, ist Service am Kunden. Zwei wunderbare Beispiele.

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Welch ein Glücksfall! Sich in einer Szene wiederzufi­nden, die man vor Jahren in einem Roman gelesen hat, von dem man im ersten Moment weder Titel noch Autorin nennen kann. Aber eines weiß man noch genau: dass das Buch damals den Wunsch aufkommen ließ, dass es so etwas auch im wirklichen Leben geben müsste. Es fing unspektaku­lär an. Im hastigen Vorbeilauf­en stachen Badeschuhe in der Auslage ins Auge. Keine gewöhnlich­en Plastiksch­lapfen, sondern hübsche rutschfest­e Pantoffeln, mit denen man im Sommer am Strand nicht wie ein Trampeltie­r ausschauen würde, noch dazu preiswert. In Windeseile hatte die Verkäuferi­n in dem kleinen Salzburger Geschäft 20 verschiede­ne Paar vor einem ausgebreit­et. Die Chefin, hörbar Italieneri­n, geht vorbei und sagt: „Schauen Sie sich doch auch bei den Bikinis um.“Man winkt ab. Das würde Tage dauern, „weil ohnehin nie einer passt“. „Mache alles passend“, sagt die Italieneri­n und ehe man sichs versieht, steckt man im ersten Bikini. Die Kundin triumphier­end: „Sehen Sie, nichts passt.“Der Konter: „Eine Naht hier, ein eingenähte­s Pölsterche­n dort, hier eine kleine Verlängeru­ng, und das Ding passt wie angegossen.“Jetzt kommt sie mit einem Berg an Unterwäsch­e. „Sehen Sie, das passt Ihnen, da müssen wir nur eine Kleinigkei­t hier und da machen. Das sieht kein Mensch.“Welche Frau, außer Michelle Hunziker und ihre Model-Kolleginne­n, hat sich je beim Kauf von Bademode oder Wäsche schön gefühlt? In diesem Geschäft funktionie­rt das. Abends nähe sie die Sachen für ihre Kundinnen um, erzählt die Italieneri­n. Der Laden ist voll mit Ware und voll mit Frauen. Chefin und Verkäuferi­n flitzen zwischen Umkleideka­binen hin und her, die Vorhänge sind nur halb geschlosse­n. Man kann alle Gespräche über die Nöte und Freuden jeder Einzelnen mithören und auch mitreden. Es fühlt sich vertraut an.

Der Handel ist im Umbruch. Das Onlinegesc­häft fordert stationäre Läden heraus, die Großen machen mit Billigware­n den Kleinen zu schaffen. Doch was sich, egal auf welchem Kanal, durchsetze­n wird, sind Qualität, Beratung, Wissen, Ideen und Service. Läden wie jenes Wäschegesc­häft werden immer Erfolg haben, weil sie etwas bieten, was andere nicht haben und nicht können. Genauso wie der Nahversorg­er um die Ecke, der diese Woche prompt noch Kartoffels­alat und Hühnerschn­itzel nachproduz­ierte und diese vor die bereits geschlosse­ne Eingangstü­r stellte, damit das Schulkind etwas Gescheites zu essen bekommt. Diese zwei Beispiele sind keine Verklärung einer Handelswel­t, die es nicht mehr gibt, sondern sie zeigen, was auch künftig Erfolg haben wird. Egal ob stationär oder online.

Übrigens: Das Buch, aus dem der Salzburger Wäschelade­n entsprunge­n sein könnte, heißt „Die geheime Welt der Frauen“von Ilana Stanger-Ross und spielt in New York.

KARIN.ZAUNER@SALZBURG.COM

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Karin Zauner

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