Das Dilemma des Westens
Mit dem Fall Palmyras und Ramadis liegen nicht nur zwei bedeutsame Städte in Trümmern, sondern auch die von Präsident Obama verfolgte Anti-IS-Strategie.
Deren Hauptfehler besteht darin, falsche Erwartungen zu hegen und auf imaginäre Partner zu setzen. In Syrien übernehmen die sogenannten moderaten Rebellen, die gleichermaßen Diktator Assad und die Anhänger des IS-Kalifats bekämpfen, diese Rolle. Im Irak fällt sie „sunnitischen Stämmen“und der irakischen Armee zu.
Leider fehlt es beiden Anti-ISGruppen an Mannstärke, Fähigkeit und Kampfeswillen, die synthetischen Träume der Experten in den US-Denkfabriken und im Weißen Haus Realität werden zu lassen.
Obamas Strategie, sunnitischen Extremismus mit Sunniten zu bekämpfen, entspringt einer richtigen Analyse, zieht aber die falschen Schlüsse. Die paar moderaten Kräfte haben dem sektiererischen Hass wenig entgegenzusetzen, der Schiiten und Sunniten im Mittleren Osten einander an die Gurgel gehen lässt.
Dieser Hass wird von den Hegemonialmächten Iran und SaudiArabien angeheizt, die über Milizen, Stämme und extremistische Gruppen Stellvertreterkriege führen. Solange die USA nicht willens sind, mit einem massiven militärischen Kraftakt für eine „Pax Americana“zu sorgen, können sie die Ereignisse vor Ort nur partiell beeinflussen. Für eine solche Intervention fehlt aber der Wille.
Die USA haben im Irak schmerzhaft lernen müssen, dass sich historische Prozesse nicht beschleunigen oder gar überspringen lassen. Der Sturz Saddam Husseins führte nicht zu einer Demokratisierung der Region, sondern öffnete die Büchse der Pandora.
Der Westen steht vor einem Dilemma. Er kann weder Zivilgesellschaften herbeizaubern noch jahrhundertealte Rechnungen der Glaubenskrieger begleichen. Abermals mit Bodentruppen einzugreifen macht die Dinge nicht besser. Umgekehrt erlaubt die reale terroristische Bedrohung durch die ISKrieger nicht, die Hände tatenlos in den Schoß zu legen.