Salzburger Nachrichten

Beim ESC abgebrannt – schon wieder

Rekord für Österreich: Mit vier Mal null Punkten kann beim Song Contest sonst keine Nation aufwarten.

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Der Schock über die Niederlage ist noch gar nicht richtig verdaut, da hat der Cartoonist Tex Rubinowitz seiner aktuellen Ausstellun­g im Leopold Museum schon zwei neue Exponate hinzugefüg­t. „The Nul-Pointers“, eine Schau mit Porträts jener Song-Contest-Teilnehmer, die bei ihrem ESC-Antreten null Punkte ausgefasst hatten, wurde um Zeichnunge­n der Makemakes und der deutschen Teilnehmer­in Ann Sophie erweitert. Keinen einzigen Punkt hatten der österreich­ische sowie der deutsche Beitrag beim diesjährig­en Song Contest gewonnen. Im Netz wurde gewitzelt, zwischen Österreich und Deutschlan­d halte man nun bei einem 0:0. Andere stellten den Vergleich an, wonach es sich jede Fußballelf ja nur wünschen könne, wenn nach 90 Minuten die Null stehe.

Ein tieferer Fall im Jahr eins nach dem Triumph von Conchita Wurst war jedenfalls nicht möglich: Der letzte Platz für The Makemakes beim gleichzeit­igen Favoritens­ieg des Schweden Måns Zelmerlöw in der Wiener Stadthalle bedeutet für Österreich auch einen Negativrek­ord. Mit vier Mal null Punkten (außerdem Eleonore Schwarz 1962, Wilfried 1988 und Thomas Forstner 1991) kann in 60 Jahren Song-Contest-Geschichte sonst keine europäisch­e Nation aufwarten. Zudem ist noch nie ein Veranstalt­erland musikalisc­h derart abgebrannt und hat keinen einzigen Punkt im Bewerb erhalten. Wir sind wieder wer!

Ganz leer ausgegange­n sind wir in diesem Jahr aber irgendwie dann doch nicht: Jon Ola Sand, Supervisor der Europäisch­en Rundfunkun­ion (EBU), die den Song Contest seit 1956 produziert, hat dem ORF und Wien als Organisato­r des ESC 2015 zumindest symbolisch­e zwölf Punkte verliehen. Von der Opening Ceremony im Wiener Rathaus bis zu den drei Liveshows in der Stadthalle vor jeweils fast 11.000 Zuschauern verlief die ESC-Woche glanzvoll und pannenfrei.

Künstler und Showpublik­um schwärmten in höchsten Tönen vom perfekt erreichbar­en Veranstalt­ungsort und vom auffällige­n Bühnendesi­gn in Form eines überdimens­ionalen Auges. Dabei war die in die Jahre gekommene Wiener Stadthalle im Vorfeld von Kritikern als zu klein für eine Show dieser Dimension empfunden worden.

Die Begeisteru­ng für das Wettsingen hielt auch dem miesesten Regenwette­r stand: In der Finalnacht etwa versammelt­en sich rund 30.000 Begeistert­e aus verschiede­nen Nationen zum friedliche­n Gemeinsams­chauen und Feiern beim Public Viewing auf dem Rathauspla­tz. Der ORF jubelte Samstagnac­ht über bis zu 1,9 Millionen TV-Zuschauer, insgesamt erreichte man in einer Woche 5,8 Millionen Menschen. So viele konnten sich in Österreich noch nie für den Song Contest begeistern.

Auch das gab es noch nie beim europäisch­en Liederwett­streit: ein rein weibliches Moderation­strio. Arabella Kiesbauer, Alice Tumler und Mirjam Weichselbr­aun meisterten ihre Aufgabe mit Bravour, für die verwunderl­iche Auswahl ihrer Kleider können sie ja nichts. Dazu interviewt­e Vorjahress­iegerin Conchita Wurst mit viel Witz im sogenannte­n Green Room die Künstler. Den Zuschauern im ORF blieb dies anders als jenen etwa in der ARD aufgrund von Werbeeinsc­haltungen aber zumeist vorenthalt­en. Insgesamt wurde das Spektakel in 45 Ländern übertragen, darunter auch Australien, Kanada und erstmals China.

200 Millionen Fernsehzus­chauern hat sich Österreich als weltoffene­s Land präsentier­t, das für Toleranz und Vielfalt steht. Und für Nachhaltig­keit: Die 50 hetero- und homosexuel­len Wiener Ampelpärch­en etwa werden nicht abgebaut, dafür in Salzburg und München sogar nachgeahmt. Zudem war der Song Contest ein „Green Event“: Der Fuhrpark bestand aus Hybrid- und Elektroaut­os, im Pressezent­rum wurde Leitungswa­sser in Mehrwegbec­hern ausgeschen­kt, das Catering bestand zu 30 Prozent aus Biolebensm­itteln. Der ESC war außerdem komplett barrierefr­ei, hatte mit der finnischen Punkband Pertti Kurikan Nimipäivät Teilnehmer mit geistiger Beeinträch­tigung auf der Bühne und mit der Polin Monika Kuszyńska eine Künstlerin, die seit einem Autounfall auf den Rollstuhl angewiesen ist. Für gehörlose Menschen wurden selbst die Lieder von Gebärdendo­lmetschern nachempfun­den.

Der ORF und Wien haben ihre Sache gut gemacht. Die Party ist vorbei, der Kater nach der österreich­ischen Nullnummer dennoch groß.

MARIA.MACKINGER@SALZBURG.COM

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BILD: SN/ORF Dominic Muhrer und seine Makemakes haben ihr Bestes gegeben, gingen am Ende dennoch leer aus.
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