Treibstoff lässt sich günstig herstellen
Diesel und Benzin können dank eines seit 1925 erprobten Verfahrens aus Holz und Stroh gewonnen werden. Doch das ist teuer. Ein winziger Reaktor soll künftig eine Lösung sein.
ZÜRICH. Wie kann man Benzin und Diesel kostengünstig herstellen? Diese Frage haben Forscher des Paul Scherrer Instituts und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) gelöst. Ihnen ist es gelungen, einen winzigen chemischen Reaktor im Labor zu bauen. Der Reaktor besteht aus nur wenige Nanometer großen Kristallen eines Zeoliths, die die Forscher so veränderten, dass darin zwei Schritte der Herstellung synthetischer Kraftstoffe ablaufen können. Zeolithe sind Materialien, deren Kristallstruktur von sehr vielen kleinen Poren ähnlicher Größe durchsetzt ist. Die vielen Poren bieten viel Fläche, auf der chemische Reaktionen ablaufen können, was eine hohe Aus- beute des Reaktors zur Folge hat. Für jeden Schritt bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe benötigt man derzeit einen getrennten Reaktor. Der neue Nanoreaktor könnte helfen, Kosten einzusparen.
Um Benzin und Diesel aus anderen Rohstoffen als Erdöl zu gewinnen, gibt es seit 1925 ein industrielles Verfahren: Die deutschen Chemiker Franz Fischer und Hans Tropsch entwickelten es, um aus Synthesegas – einer Mischung aus den Gasen Kohlenmonoxid und Wasserstoff – Kohlenwasserstoffe wie Benzin und Diesel herzustellen. Ursprünglich wollte man das Synthesegas aus Kohle gewinnen, inzwischen dient vor allem Erdgas als Rohstoff, aber auch Holz, Klärschlamm oder Erntereste könnten in Zukunft diese Rolle überneh- men. Diese Kraftstoffe aus Holz und Stroh, für die keine Speisepflanzen mehr angebaut werden müssen, werden als BtL-Kraftstoffe bezeichnet – die Buchstaben stehen für „Biomass to Liquid“.
Das Fischer-Tropsch-Verfahren ist industriell erprobt, aber der so hergestellte Kraftstoff ist wesentlich teurer als der herkömmliche, aus Erdöl gewonnene. Die Kosten des Verfahrens ließen sich jedoch senken, etwa wenn man multifunktionelle Reaktoren baut, die mehrere der notwendigen Umwandlungsschritte übernehmen.
Der neue Nanoreaktor führt zwei Schritte des Fischer-Tropsch-Verfahrens hintereinander aus, für die bisher zwei getrennte Reaktoren notwendig sind. Der Reaktor übernimmt zum einen den ersten Um- wandlungsschritt, bei dem aus Synthesegas viele verschiedene Kohlenwasserstoffe, darunter auch die Bestandteile von Benzin, hervorgehen. Dieser erste Schritt produziert aber auch unerwünschte Kohlenwasserstoffe, die aus längeren Ketten aus Kohlenstoffatomen bestehen als die Benzinkomponenten. Diese langkettigen Kohlenwasserstoffe findet man zum Beispiel in schwerem Heizöl. Um den Anteil der höherwertigen, kurzkettigen Kohlenwasserstoffe im Endprodukt zu erhöhen, ist deshalb ein zweiter Schritt erforderlich, den man Cracking nennt. Beim Cracking werden die langkettigen Moleküle der unerwünschten Kohlenwasserstoffe in kurzkettige zerlegt. Im neuen Nanoreaktor ist auch dieser wichtige Schritt ausführbar. Dass dieser Nanoreaktor zwei Schritte des Fischer-Tropsch-Verfahrens vollziehen kann, ist jedoch nicht den natürlichen Eigenschaften des verwendeten Zeoliths, sondern gezielten Veränderungen im Labor zu verdanken: So höhlten die Wissenschafter ihre Nanokristalle mit einer ätzenden Lösung aus und brachten in die Hohlräume KobaltNanopartikel ein. Solche Kobaltpartikel werden in der Industrie als Katalysatoren eingesetzt.
Diese chemische Behandlung befähigt den Nanoreaktor auch zum Cracking: Die Lösung ätzte Stellen in den Poren des Zeoliths, die sich bei chemischen Reaktionen wie eine Säure verhalten. Solche sauren Stellen katalysieren die Zerlegung langkettiger Kohlenwasserstoffe in ihre kurzkettigen Versionen.