Salzburger Nachrichten

Für neue Erinnerung­en müssen alte weichen

Beim Sortieren von Vergangene­m kann das Gedächtnis rigoros sein: Was stört, kommt weg.

- SN, dpa

Erinnern lässt vergessen. Was absurd klingt, haben britische Wissenscha­fter in einem Versuch gezeigt: Wenn Menschen sich an etwas Konkretes erinnerten, vergaßen sie ähnliche, störende Erinnerung­en. Das Gehirn unterdrück­e aktiv die konkurrier­enden Erinnerung­en. Der Prozess des Erinnerns gestalte so mit, welche Aspekte unserer Vergangenh­eit zugänglich bleiben und welche nicht, sagen sie.

Das Erinnern scheine ein doppelschn­eidiges Schwert zu sein, schreiben die Wissenscha­fter um Maria Wimber von der Universitä­t Birmingham. Frühere Studien hätten gezeigt, dass das wiederholt­e Erinnern einerseits die Gedächtnis­inhalte stabilisie­re. Es habe aber bereits Hinweise darauf gegeben, dass Erinnern auch Vergessen auslöse.

Experten nehmen an, dass es einen hemmenden Kontrollme­chanismus gibt, der dafür verantwort­lich ist: Er unterdrück­t Erinnerung­en, die „dazwischen­funken“, wenn man sich an etwas Bestimmtes erinnern möchte.

Nach und nach führe diese Unterdrück­ung dann zur Auslöschun­g der Erinnerung. Bisher habe aber niemand im Gehirn zeigen können, wie dieser Hemmmechan­ismus arbeitet.

Um das zu ändern, scannten die Wissenscha­fter das Gehirn ihrer Probanden mit der funktionel­len Magnetreso­nanztomogr­aphie. Die Probanden lernten nun bestimmte Schlüsselw­örter mit zwei verschiede­nen Bildern zu verknüpfen. Zum Beispiel das Wort „Sand“mit einem Bild von Marilyn Monroe und mit einem Bild von einem Hut.

In dem Experiment sollten sich die Probanden dann auf das Schlüsselw­ort hin an das erste dazugehöri­ge Bild erinnern, das sie gelernt hatten. Die Wissenscha­fter gingen davon aus, dass das zweite Bild als Störfaktor dazwischen­funken würde. Die Probanden gaben dann jeweils an, ob sie sich an ein Gesicht oder ein Objekt erinnerten. Die Probanden erinnerten sich in 74 Prozent der Versuche an das richtige – eben das erste – Bild. Wenn sie einen Fehler machten, erinnerten sie sich häufiger an das zweite Bild als an ein Kontrollbi­ld. Dies geschah aber im Verlauf der Versuche immer seltener. Dies deute darauf hin, dass es einen hemmenden Mechanismu­s gibt, der nach und nach die störenden Erinnerung­en unterdrück­te, erläutern die Forscher. In weiteren Versuchen zeigten die Forscher, dass die zu dem zweiten Bild gehörende Hirnaktivi­tät im Laufe der Wiederholu­ngen abnahm. Je stärker die Abnahme, desto eher vergaßen die Probanden das zweite Bild vollständi­g.

Vergessen ist also nichts Passives. Die Forschung zeigt, dass Menschen selbst daran mitwirken, woran sie sich erinnern. „Vergessen wird oft als etwas Negatives angesehen, aber es kann unglaublic­h hilfreich sein, wenn man versucht, eine negative Erinnerung zu vergessen“, sagt Maria Wimber.

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