Salzburger Nachrichten

Wie man eine Steuerrefo­rm ruiniert

Warum jetzt plötzlich alle das Bankgeheim­nis retten wollen. Und warum der Finanzmini­ster zurücktret­en sollte.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Das Gezeter der Spitzenpol­itik um den Wegfall des Bankgeheim­nisses zeigt eines ganz deutlich: So kann Politik nicht funktionie­ren. Rekapituli­eren wir:

Vergangene Woche beschloss der Ministerra­t einstimmig den Entwurf für die Steuerrefo­rm, darunter die faktische Abschaffun­g des Bankgeheim­nisses. Warum? Weil die Regierung anders nicht an die 1,9 Milliarden zu kommen glaubt, die sie unter dem Titel „Betrugsbek­ämpfung“in ihr Gegenfinan­zierungsko­nzept geschriebe­n hat. Am Donnerstag meldete der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhö­fer Protest an. Warum? Weil Landtagswa­hlkampf ist und er mit einem Bundesthem­a von der Steiermark ablenken will. Gleich darauf sprach Niederöste­rreichs Landesfürs­t Erwin Pröll von „massiven Bedenken“gegen den Wegfall des Bankgeheim­nisses. Warum? Weil er Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling, der sich mehrmals an der Allmacht der Landesfürs­ten versündigt hat, nicht leiden kann. Unverzügli­ch schloss sich Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner, die im Ministerra­t das ganze Paket brav abgenickt hat, Erwin Pröll an. Warum? Weil sie es sich nicht mit ihrem mächtigen Mentor verderben möchte. Sodann traten dem Chor der Bankgeheim­nisretter unter anderem die ÖVP-Chefs von Wien, Kärnten und Burgenland bei. Warum? Damit man merkt, dass es sie gibt. Schließ- lich knickte ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka ein. In einer Aussendung kündigte er Änderungen am Begutachtu­ngsentwurf an, denn bei diesem handle es sich lediglich um „den Wunsch der Spitzenbea­mten des Finanzmini­steriums“. Diese mehr als kühne Behauptung sollte Minister Schelling eigentlich veranlasse­n, der ÖVP sein Amt mit den geflügelte­n Worten „Macht euren Dreck allein“vor die Füße zu werfen. Denn das angebliche Beamtenpap­ier ist vergangene Woche von Schelling persönlich präsentier­t worden, verbunden mit der Versicheru­ng des Ministers, dass an dem Entwurf keine wesentlich­en Änderungen mehr vorgenomme­n würden.

Man kann den Wegfall des Bankgeheim­nisses begrüßen oder bedauern, doch um solch sachliche Überlegung­en geht es hier nicht. Hier wollen einige ihr Mütchen am Bund kühlen. Andere wollen dem Finanzmini­ster eins auswischen. Wieder andere wollen am Biertisch punkten. Und mancher möchte sich durch besonders populistis­che Beiträge für zukünftige Ämter in Stellung bringen. Dass die Steuerrefo­rm, die noch nicht einmal vom Parlament beschlosse­n wurde, in aller Öffentlich­keit ruiniert wird, nehmen sie gern in Kauf.

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