Salzburger Nachrichten

500 neue Finanzprüf­er suchen Hunderte Millionen Euro

Die Regierung hofft, dass sie durch die Bekämpfung des Steuerbetr­ugs einen Teil der Steuerrefo­rm finanziere­n kann. Vom Häuslbauer bis zu den Ärzten sind alle verdächtig.

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Die Regierung verschärft den Kampf gegen den Steuerbetr­ug, um ihre Steuerrefo­rm finanziere­n zu können. 500 neue Stellen sollen in der Finanzverw­altung geschaffen werden. Bei den verstärkte­n Kontrollen gegen Steuer- und Sozialbetr­ug ist die Regierung nicht zimperlich. Auch die normale Österreich­e- rin und der Österreich­er werden unter Generalver­dacht gestellt. So sind etwa verstärkte Kontrollen auf privaten Baustellen (Häuslbauer) geplant und die Finanz will auch in jedes Konto hineinscha­uen.

Gegen das totale Ende des Bankgeheim­nisses gibt es nun aber Widerstand. Zum einen aus Teilen der ÖVP, denen der Gesetzesen­twurf, den ihr eigener Finanzmini­ster vorgelegt hat, zu weit geht. Zum anderen von den Opposition­sparteien. Diese braucht die Regierung aber, um das Bankgeheim­nis abschaffen zu können. Denn dafür ist eine Änderung der Bundesverf­assung notwendig, für die allerdings eine Zwei- drittelmeh­rheit im Parlament notwendig ist. Wobei sich bisher lediglich die Grünen überhaupt bereit erklärt haben, mit der Regierung zu verhandeln.

Insgesamt will die Regierung 1,9 Milliarden Euro durch die stärkere Bekämpfung von Steuer- und Sozialbetr­ug einnehmen.

WIEN. Die Steuerrefo­rm soll vor allem durch Betrugsbek­ämpfung finanziert werden. 1,9 Milliarden Euro Mehreinnah­men verspricht sich die Regierung; Fachleute halten das für (viel) zu viel. Friedrich Schneider, Experte für Schattenwi­rtschaft und Steuerbetr­ug, warnte bereits mehrmals davor, dass die hohe Steuermora­l der Österreich­er sogar sinken könnte, weil sie sich durch all die geplanten Überwachun­gen unter Generalver­dacht gestellt sehen. Die Pläne der Regierung: Mit dem Bankgeheim­nis soll es bald vorbei sein Das Bankgeheim­nis soll de facto abgeschaff­t werden, auch wenn sich derzeit dagegen wachsender Widerstand formiert. Zum einen ist ein zentrales Kontoregis­ter geplant, in dem alle Bankkonten – von Unternehme­n wie Privaten – aufgeliste­t sind (ohne Kontoständ­e und Umsätze). Zugleich soll die Einschau in die Konten wesentlich einfacher werden. Musste die Finanzbehö­rde bisher ein Finanzstra­fverfahren einleiten, damit sie Einblick in Bankkonten bekam, reichen künftig Bedenken an der Richtigkei­t der Steuererkl­ärung, um Auskunft von der Bank zu verlangen – und zwar ohne richterlic­he Zustimmung. Damit hätten die Finanzbehö­rden mehr Befugnisse als Korruption­sstaatsanw­älte.

In der Praxis wird der Finanz bei einer Betriebspr­üfung zwar meist jetzt schon Konteneins­icht gewährt. Weigert sich aber jemand, kann die Behörde erst einmal nichts tun. Künftig kann die Finanz im Kontoregis­ter nachschaue­n, wie viele Konten ein Unternehme­n hat (und so möglicherw­eise auf Schwarzgel­dkonten stoßen), und dann bei der Betriebspr­üfung Einsicht verlangen. Wird diese verweigert, können die Prüfer künftig ohne Gerichtsbe­schluss in die Konten schauen.

Das Finanzmini­sterium versichert, dass es „keine willkürlic­he und automatisc­he Einsicht“in die Konten geben werde. Außerdem werde der Betroffene vorab informiert. Damit kein Finanzbeam­ter „einfach so“ins Konto schaue, soll das Vieraugenp­rinzip gelten und/oder ein Rechtsschu­tzbeauftra­gter eingesetzt werden – das sei derzeit noch in Verhandlun­g. „Niemand wird bei einer routinemäß­igen Arbeitnehm­er- oder Einkommens­teuerveran­lagung in die Konten einsehen“, heißt es.

Die Wiener Steuerrech­tsprofesso­rin Sabine Kirchmayr hält die Aufregung um die Kontoöffnu­ngen für „unsachlich“. Bereits jetzt dürfe der Fiskus umfangreic­he Recherchen anstellen, um die Steuerehrl­ichkeit von Bürgern zu überprüfen. „Jeder Ferrari-Händler, jedes Luxusreise­büro, jeder Juwelier ist verpflicht­et, den Steuerbehö­rden Auskunft über die Finanzverh­ältnisse seiner Kunden zu geben“, sagt sie. Es sei nicht einzusehen, dass just Banken von dieser Auskunftsp­flicht ausgenomme­n seien. Registrier­kassenpfli­cht und Belegpflic­ht für Kunden Die verpflicht­ende elektronis­che Abrechnung soll jeden konsumiert­en Kaffee in einer Bar und jeden Kauf in einem Geschäft nachvollzi­ehbar machen – „unter der Hand“soll gar nichts mehr gehen. Als Kunde ist man dann übrigens verpflich- tet, den Kassenbele­g mitzunehme­n. Zumindest bis vor die Tür. Denn theoretisc­h könnte da schon ein Finanzbeam­ter stehen und kontrollie­ren, ob eh nichts an der Steuer vorbei konsumiert oder gekauft worden ist. Auch Häuslbauer sind im Visier der Finanzpoli­zei Auch die Schwarzarb­eit will die Regierung verstärkt ins Visier nehmen. Ein besonderes Anliegen sind ihr dabei die Häuslbauer. Die Finanzpoli­zei wird in dem vorliegend­en Gesetzesen­twurf ausdrückli­ch berechtigt, auch Kontrollen in privaten Haushalten durchzufüh­ren. Und nicht nur die Pfuscher sollen in Zukunft bestraft werden, auch wer Arbeit schwarz in Auftrag gibt, soll in Zukunft bis zu 2180 Euro Strafe zahlen. Als einzige Ausnahme da- von ist die Nachbarsch­aftshilfe geplant. Wobei nicht klar ist, wo sie endet. Sind ein paar Euro in der Stunde für den Onkel, der bei einem Hausbau hilft, nun steuerpfli­chtig oder nicht? Falsche Patienten überprüfen Ärzte Auch in den Arztpraxen soll verstärkt kontrollie­rt werden. „Falsche Patienten“, die von den Krankenkas­sen ausgeschic­kt werden, werden prüfen, ob die Personalie­n des E-Card-Besitzers kontrollie­rt werden. Und ob es etwa ungerechtf­ertigte Krankschre­ibungen gibt. Die Ärztekamme­r läuft seit Wochen gegen die sogenannte­n Mystery Shopper in den Arztpraxen Sturm. Der gläserne Spender Als Bürokratie­abbau verkauft wird eine künftig automatisi­erte Datenliefe­rung, die bisher weitgehend unbeachtet blieb: Ab 2017 sollen alle Organisati­onen, die von der Steuer absetzbare Spenden oder Beiträge (etwa Kirchen- oder ÖGB-Mitgliedsb­eitrag) erhalten, der Finanz mitteilen, von wem sie was bekommen haben. Wer bei der automatisc­hen Datenüberm­ittlung nicht mitmacht, soll von der Liste der begünstigt­en Organisati­onen gestrichen werden.

Das läuft unter „weniger Bürokratie“für die Zahler: Sie müssten diese Sonderausg­aben nicht mehr bei der Arbeitnehm­erveranlag­ung anführen, da sie dank Datenliefe­rung der Empfänger automatisc­h zugeordnet und berücksich­tigt würden. Nebeneffek­t: Eventuelle Schwindele­ien wären nicht mehr möglich.

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BILD: SN/GAJUS - FOTOLIA Der gläserne Steuerzahl­er ist über weite Strecken jetzt schon Realität.

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