Salzburger Nachrichten

Steuerrefo­rm: Die ÖVP wankt

Warum die ÖVP den Finanzmini­ster düpiert. Warum es plötzlich Nachverhan­dlungen geben soll. Und warum die SPÖ an der Handschlag­qualität der ÖVP zweifelt.

- Kehrtwende: hold Lopatka.

Der Verhandlun­gsspielrau­m sei „ausgereizt“. Die Interessen­vertreter sollten sich „keine Hoffnungen machen, dass noch großartige Änderungen möglich sind“.

So äußerte sich Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling vergangene­n Dienstag, als er der Öffentlich­keit seinen Entwurf für die Steuerrefo­rm und die dafür notwendige Gegenfinan­zierung vorstellte.

Der selbstbewu­sste Minister hatte die Rechnung ohne seine Partei, die ÖVP, gemacht. Denn gestern, Dienstag, betonte Klubchef Reinhold Lopatka, dass es sich bei dem Entwurf gar nicht um den Entwurf des Finanzmini­sters handle. Sondern nur um einen „Wunsch der Spitzenbea­mten des Finanzmini­steriums.“Es seien also, anders als von Schelling vergangene Woche angekündig­t, durchaus noch Änderungen drinnen: Die Gesetzesvo­rlage werde in der jetzigen Form nicht beschlosse­n, betonte der Klubchef.

Zwischen dem Auftritt Schellings und seiner Desavouier­ung durch Lopatka hatte sich in der ÖVP eine breite Front gegen die faktische Abschaffun­g des Bankgeheim­nisses gebildet. Wie berichtet, soll die Ein- schau der Finanzbehö­rden in Konten deutlich erleichter­t werden. Musste die Abgabenbeh­örde bisher ein Finanzstra­fverfahren einleiten, um das Bankgeheim­nis aufzuheben, genügt laut Entwurf in Zukunft, dass sie einseitig Bedenken gegen die Richtigkei­t der Abgabenerk­lärung hat.

Gegen dieses Vorhaben ist in den vergangene­n Tagen eine ganze Rei- he prominente­r ÖVP-Politiker auf die Barrikaden gegangen. Vor allem aus den Ländern und aus dem Mund von Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner ertönte der Ruf nach Nachverhan­dlungen. Auch Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er äußerte plötzlich Bedenken: Er unterstütz­e zwar die „äußere Kontoöffnu­ng“(Kontoregis­ter) ohne richterlic­hen Beschluss, aber nicht die „innere“, also die Einsicht in das Konto.

Das Finanzmini­sterium war am Dienstag um Beruhigung bemüht. Der Minister sei immer zu Verhandlun­gen bereit gewesen, das habe er auch in einem TV-Interview vergangene Woche klargestel­lt, sagte seine Sprecherin den SN. Diese Verhandlun­gen seien schon deshalb erforderli­ch, weil die Grünen für die notwendige Zweidritte­lmehrheit an Bord geholt werden müssten. Ein möglicher Kompromiss bestehe darin, die Kontoöffnu­ng durch einen Rechtsschu­tzbeauftra­gten überwachen zu lassen oder zwingend das Vier-Augen-Prinzip einzuführe­n.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder reagierte pikiert auf die Forderung der ÖVP, bei den Kontoöffnu­ngen noch nachzuverh­andeln. „Das ist eine Frage der Handschlag­qualität der ÖVP. Man muss in einer Koalition zu dem stehen, was ausverhand­elt worden ist“, sagte er im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. Die SPÖ hatte sich früher stets gegen eine Lockerung des Bankgeheim­nisses ausgesproc­hen. Jetzt hingegen unterstütz­en die Sozialdemo­kraten die faktische Abschaffun­g des Bankgeheim­nisses, da diese Maßnahme zur Betrugsbek­ämpfung notwendig sei (siehe nebenstehe­nde Kanzlerzit­ate).

Der Termin für die von der Opposition verlangte Nationalra­tssondersi­tzung steht mittlerwei­le fest: Es ist der 8. Juni – also gut eine Woche nach den Landtagswa­hlen von Sonntag, was einer sachlichen Debatte wohl zuträglich sein wird.

„Nur ein Wunsch der Spitzenbea­mten.“

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Überzeugun­gsarbeit . . .
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BILD: SN/APA Reinhold Lopatka, ÖVP-KlubchefÖV­P-KlubchefRe­in-

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