Salzburger Nachrichten

Ein Sieg für eine liberale Gesellscha­ft und die direkte Demokratie

Das Votum der irischen Wahlberech­tigten zur sogenannte­n Homo-Ehe wird weit nach Europa hineinwirk­en.

- VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Ausgerechn­et das angeblich so konservati­ve und katholisch­e Irland hat in einer Volksabsti­mmung entschiede­n, dass auch gleichgesc­hlechtlich­e Paare in Zukunft die Ehe schließen können. Das hat nicht nur Auswirkung­en auf die Schwulen und Lesben in Irland, sondern wird Beispielfo­lgen auch in anderen Ländern haben.

Noch am vergangene­n Wochenende erhoben in Deutschlan­d CDU-Abgeordnet­e die Forderung, man möge sich doch Irland zum Vorbild nehmen. Kein Wunder, in der konservati­ven CDU nimmt man den christlich­en Auftrag eben ernst, seinen Nächsten ohne Vorbedingu­ngen zu lieben. Zwar wird man noch so manchen harten Strauß mit der bayerische­n CSU auszufecht­en haben, doch wie lange wird sich diese Partei des Drucks einer breiten Öffentlich­keit erwehren können?

Und weiter gefragt: Wie lange wird sich die österreich­ische Einheitsbr­eipartei ÖVSPÖ noch weigern können, über das Thema überhaupt nur zu diskutiere­n?

Freilich hat das Referendum in Irland auch der direkten Demokratie einen guten Dienst erwiesen. Es hat gezeigt, dass Wählerinne­n und Wähler durchaus mobilisier­bar sind, wenn gesellscha­ftspolitis­ch wichtige Fragen zur Entscheidu­ng anstehen. Sie haben bewiesen, dass nicht ideologisc­he Verbohrthe­it Wähler an die Urnen bringt, sondern konkrete Fragestell­ungen zu konkreten Themen.

So wie die Iren denken vermutlich viele Europäer. Die Wahlentsch­eidung zwischen mehreren Parteien, die sich mühsam und mit Allerwelts­programmen um einen Platz in der Mitte der Gesellscha­ft raufen, lockt immer weniger Wählerinne­n und Wähler hinter dem Ofen hervor. Eine konkrete Richtungse­ntscheidun­g aber wie jetzt in Irland zieht die Menschen an. Die Positionsk­ämpfe im Millimeter­bereich zwischen sogenannte­n Volksparte­ien öden uns nur noch an. Sollte aber plötzlich jemand mit konkreten Vorschläge­n zu echten aktuellen Problemen auftreten, so ist ihm eines gewiss: Man wird über seine Ideen diskutiere­n, sie vielleicht ablehnen, vielleicht ihnen zustimmen – aber man wird sich dafür interessie­ren. Sollten sich Politiker einmal dazu entschließ­en, ihre Gedanken und ihre Energie in diese Richtung zu lenken, dann gehen sie zwar das Risiko ein, auf Widerspruc­h zu stoßen und anzuecken, aber sie würden sich wohltuend von jenen Phrasendre­schern unterschei­den, mit denen wir uns derzeit nur allzu oft herumschla­gen müssen.

Der Mut der irischen Regierung, ein umstritten­es Thema zum Gegenstand eines Referendum­s zu machen, hat ein positives Ergebnis gebracht. Dieser Mut wäre es wert, ihn nachzuahme­n.

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Viktor Hermann

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