Der wirbelnde Tanz braucht die Mitte
Pinselstriche und Fantasie können Füße in Bewegung bringen.
SALZBURG. Georg Baselitz hat erneut zu seinem seit den 1960er-Jahren bestehenden Leitmotiv gegriffen: dem Fuß. Der Künstler lässt die Beine in einem wilden, aber immer wieder abgehackten Tanz wirbeln. Wie Windmühlen rotieren sie, und durch die Geschwindigkeit und Beschleunigung ihrer Bewegung werden sie zu abstrahierten Schwüngen. Das Figurative der Beine wird aus der Realität gewirbelt, die Einzelteile des Bildes werden zu Chiffren für eine nur in der Vorstellung nachvollziehbare Idee.
Die Bildmitte allerdings, in der die Beine in ihrem Wirbel aneinander stoßen müssten, bleibt diffus – einmal ist es ein Fleck, der die Wahrnehmung einer dunklen Öffnung erzeugt, ein anderes Mal wird daraus ein Knäuel grauer Farbschlieren, die das Dahinterliegende verdecken. „Füße sind meine Erdung, mir ist die Erdung wichtiger als die Sendung“, sagt Baselitz. „Das Empfangen über Erdung funktioniert bei mir viel besser als über Antenne – ich habe vielleicht mehr zu tun mit den Trollen als mit den Engeln, wer weiß.“Für Georg Baselitz steht der Fuß sowohl im Zentrum seiner Wahrnehmung als auch im Bildmittelpunkt seiner Malerei.
Diese neuen Bilder des deutschen Malers zeigt die Galerie Ropac in einer Doppelausstellung – in Zusammenarbeit mit der Fondazione Emilio e Annabianca Vedova. Dabei wird die neuen Werkserie „Ma grigio“von Georg Baselitz (geboren 1939) mit Bildern aus den 1980erJahren des Venezianers Emilio Vedova (1919–2006) vereint.
Bei der Tanz-Serie „Ma grigio“von Georg Baselitz geht es um die Thematisierung des Zentrums. Und auch für Emilio Vedova war die „Allgegenwart des Zentrums“ein wichtiger Begriff, um Kunst zu schaffen und um sie zu verstehen. Immer von einem Zentrum aus, das für ihn reale Ereignisse, Erlebtes und oft das Leiden des Menschen unter politischer Repression waren, hat Emilio Vedova, der im Zweiten Weltkrieg Widerstandskämpfer war, seine Sprünge als Künstler vollzogen. Er befasste sich mit dem Experiment, der Collage, der Malerei auf Leinwänden, aber auch der in den Raum übergehenden Malerei. Er baute Installationen aus hölzernen bemalten Scheiben, Brettern und Verschnürungen, in die der Mensch agierend eingebunden wurde. Wild „gezimmerte“und wild gemalte Werke von großer Dynamik sind es, die der hünenhafte Vedova schuf. Von Ungeduld, Revolte und Risikobereitschaft sprechen seine Werke, denen die Anarchie gegenüber künstlerischen Regeln und die ethische Haltung des Men- schen eigen ist. Seine Malerei, die sich in ihren Ausmaßen an der Körpergröße des Künstlers ausrichtet, ist formal ungegenständlich. Und sie ist Fragment. Trotz ihrer Abstraktion ist sie ein „Hinabtauchen ins Reale, das sich kontinuierlich weiter verändert“, wie Vedova in einer schriftlichen Überlegung festgehalten hat. Er war seit den 80erJahren eine Integrationsfigur für die junge neoexpressive Künstlergeneration; zwei Jahrzehnte vorher – von 1965 bis 1969 – war er in Salzburg begehrter Leiter der Malereiklasse der Sommerakademie.
Ausstellung: