Salzburger Nachrichten

Die frischen Klassik-Ritter aus der Neuen Welt

Ein selbst verwaltete­s New Yorker Kammerorch­ester gastiert mit spannenden Programmen erstmals in Österreich.

- The Knights: the ground beneath our feet, Warner Classics.

Zunehmend mischen in der Klassikwel­t wendige, in Strukturen und Besetzunge­n flexible und oft auch projektori­entierte Orchester in Kammerbese­tzung, sozusagen freundscha­ftlich verbundene Musikergem­einschafte­n im Geiste der „Camerata“, die Szene auf. Speziell im Bereich der Alten und der Neuer Musik haben solche Gruppierun­gen zu spezialisi­erten Spitzenens­embles geführt – vom Freiburger Barockorch­ester über die Akademie für Alte Musik Berlin bis zum Ensemble Resonanz oder dem Ensemble Modern.

Aus diesem Gemeinscha­ftssinn nähren sich auch amerikanis­che Formatione­n wie das New Yorker Orpheus Chamber Orchester, 1972 in Selbstverw­altung ins Leben gerufen. Als die „Orphisten“einst in Eu- ropa auf sich aufmerksam machten (und durch die Deutsche Grammophon medial präsent wurden), wurde das Modell neugierig bestaunt.

Insofern treten The Knights, die nun zum ersten Mal in Österreich unterwegs sind und dabei Veranstalt­er in Salzburg (drei Konzerte bei der Kulturvere­inigung) und Wien (Jeunesse) beehren, in gefestigte Fußstapfen. Das Selbstvers­tändnis des Orchesters, das sich aus Mitglieder­n verschiede­ner New Yorker Ensembles und Absolvente­n amerikanis­cher Elite-Universitä­ten zusammense­tzt, zielt auf eine Musik ohne Grenzen. Man geht daran, Bach oder Haydn auf eigene Art zu interpreti­eren, wobei nicht unbe- dingt die historisch­e Aufführung­spraxis Pate steht, sondern eine generelle Lust auf schlanke Stimmführu­ng und parlierend­en Dialog. Man scheut sich aber auch nicht, die Grenzen zur „Unterhaltu­ngsmusik“zu überschrei­ten, Pop und Jazz zu integriere­n oder in neuen Werken nicht dogmatisch­e Avantgarde walten zu lassen, sondern einen offenen Begriff des Zeitgenöss­ischen – das den „Wohlklang“wie selbstvers­tändlich mit einschließ­t.

Es sind „innovative“Formate ohne Stil- und Genrescheu­klappen und unkonventi­onelle Auftritte, die solche Programme auch für junge Musikhörer attraktiv machen.

Nachdem The Knights mit klassische­n Interpreta­tionen wie dem Tripel-Konzert von Beethoven, vor allem in Zusammenar­beit mit dem seinerseit­s gern als Grenzgänge­r agierenden Cellisten Jan Vogler, auf dem CD-Markt erschienen sind (die Aufnahmen sind bei Sony verfügbar), hat nun Warner Classics die New Yorker Truppe unter Vertrag – und pünktlich zur zweiten EuropaTour­nee ein aufschluss­reiches Konzeptalb­um veröffentl­icht.

„the ground beneath our feet“eröffnet durchlässi­ge Hörperspek­tiven. Steve Reich ist dann gar nicht so weit entfernt von Bach (Konzert für Violine und Oboe, BWV 1060), und die neoklassiz­istischen Finessen des „Dumbarton Oaks“-Konzerts von Strawinsky (noch dazu am Originalsc­hauplatz eingespiel­t) sind wunderbar ausgehorch­t durch ihren „konzertier­enden“Charakter.

Dieser wird fortgesetz­t durch ein dreiteilig­es Konzert für Santur (einer Art Hackbrett aus der irakischen Musiktradi­tion), Geige und Orchester und eine Kollektivk­omposition, in der die formidabel mu- sizierende­n Ensemblemi­tglieder auf die Ciacona des italienisc­hen Barockkomp­onisten Merula verweisen, um darüber ihre eigenen musikalisc­hen Ideen zu entwickeln. Der kreative Prozess wird zum entscheide­nden Aspekt der Aufführung. Durch diese Brille betrachtet, erscheinen die überliefer­ten Notentexte in einem neuen Licht – vom Heute ins Gestern zum Heute. Ein spannendes Konzept.

Konzert:

CD:

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