Salzburger Nachrichten

Im großen Stil Geld verschoben?

Vermögenst­ransfers ins Ausland haben einen 75-jährigen Frachtunte­rnehmer aus Oberösterr­eich nach der Pleite seiner Firmengrup­pe nun in Untersuchu­ngshaft gebracht.

- Longin Josef Kempf, Rechtsanwa­lt

Um eines der einst größten Frächterun­ternehmen Österreich­s tobt seit Jahren eine juristisch­e Schlacht der Sonderklas­se. Die Finanz und die Sozialvers­icherung fordern rund 100 Millionen Euro von der Firmengrup­pe Stadler aus Peuerbach im oberösterr­eichischen Bezirk Grieskirch­en, weil sie über Jahre fast 1000 Lkw-Fahrer aus Osteuropa nicht ordnungsge­mäß im Inland angemeldet haben soll. Der inzwischen 75-jährige Gründer Gerhard Stadler kam, wie berichtet, Anfang Mai nun sogar in Untersuchu­ngshaft. Offensicht­lich veranlasst­en seine Vermögenst­ransfers in Millionenh­öhe ins Ausland die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKSta) dazu, einen Haftbefehl zu beantragen. Der Firmenchef, für den die Unschuldsv­ermutung gilt, weist sämtliche Vorwürfe zurück.

Vereinfach­t gesagt, argumentie­ren Finanz und Krankenkas­se, die Fahrer wären nach österreich­ischem Recht und Kollektivv­ertrag anzustelle­n und zu bezahlen gewesen, weil ihre Einsätze und Routen zentral vom Firmensitz in Peuerbach aus gesteuert worden seien. Dem hält Stadler entgegen, die Fah- rer seien in ihren jeweiligen Ländern ordnungsge­mäß beschäftig­t und entlohnt worden.

Rund 1000 Lkw im grün-weißen Design der Firma Stadler waren bis vor ein paar Jahren auf den heimischen Straßen unterwegs. Vorwürfe, das Unternehme­n mit damals 1500 Mitarbeite­rn habe zu Dumpingpre­isen anbieten können, weil die ausländisc­hen Fahrer nicht ordentlich entlohnt worden seien, gab es über Jahre. Die Firma rangierte regelmäßig weit vorn in der diesbezügl­ichen Negativ-Hitliste der Arbeiterka­mmer Oberösterr­eich. Für die Gebietskra­nkenkasse „war der Fall Stadler einzigarti­g in seiner Dimension und Komplexitä­t“. Gefordert werden rund 38 Mill. Euro, das Verfahren befindet sich beim Bundesverw­altungsger­ichtshof. Die GKK betont, „Unternehme­n mit sozialer Verantwort­ung sind vor Konkurrent­en mit fragwürdig­en Praktiken zu schützen“.

Inzwischen sind mehrere Gesell- schaften und auch der Firmengrün­der privat in Konkurs. Gläubiger hätten Forderunge­n von insgesamt rund 140 Mill. Euro angemeldet, erklärt Franz Loizenbaue­r vom Alpenländi­schen Kreditoren­verband Linz. Er sieht in den Erhebungen der bei Stadler tätigen Masseverwa­lter den entscheide­nden Faktor, dass die seit mindestens zwei Jahren laufenden strafrecht­lichen Ermittlung­en nun in Schwung zu kommen scheinen.

Thomas Haslwanter, Sprecher der WKSta, bestätigte, dass es bei den Ermittlung­en um Vermögensv­erschiebun­gen innerhalb der Familie sowie ins Ausland gehe. Der strafrecht­liche Vorwurf lautet auf betrügeris­che Krida zulasten der Gläubiger der Firmengrup­pe. Laut Gläubigers­chützer Loizenbaue­r beträgt das derzeit in den Konkursen vorhandene Vermögen nur wenige Millionen Euro.

Für den Linzer Anwalt Wilhelm Deutschman­n sind die zwei Konkurse, die er im Zusammenha­ng mit Stadler betreut, sehr ungewöhnli­ch. Er fand nämlich zwei nicht mehr wirklich aktive Firmen vor, von denen eine aber „hochprofit­abel“war – nämlich die Stadler Cargo & Transportl­ogistik, die mit Lastwagen handelte. Hier wurde der Konkurs im Februar 2015 ange- meldet, doch noch im Jahr 2013 machte die Firma vier Mill. Euro Gewinn. Deutschman­n: „Davon wäre eine Million an Körperscha­ftssteuer fällig gewesen“, bezahlt worden sei aber nichts. Aus dem Unternehme­n seien rund sieben Mill. Euro abgeflosse­n. Geld sei in mehrere Länder – teilweise über die Schweiz und Liechtenst­ein – transferie­rt worden: nach Tschechien, Bulgarien und Deutschlan­d. Eine maßgeblich­e Rolle dabei hat laut Deutschman­n eine Tochter Stadlers gespielt, die ihrem Vater als geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin nachgefolg­t sei. Unter anderem seien „6,6 Millionen Euro unbesicher­t nach Bulgarien“gegeben worden. Deshalb habe er Strafanzei­ge erstattet.

Stadlers Rechtsvert­reter Longin Josef Kempf aus Peuerbach schrieb den SN, sein Mandant stelle den Vorwurf der Vermögensv­erschiebun­g ins Ausland entschiede­n in Abrede. „Es wurden lediglich entspreche­nde Veranlagun­gen durchgefüh­rt, die zwar längerfris­tig geplant waren, allerdings nunmehr ohnehin vorzeitig zurückgefü­hrt werden.“Sonst wären diese Transfers „wohl nicht in die ,offizielle‘ Buchhaltun­g aufgenomme­n worden“. Insgesamt handle es sich „aus Sicht des Herrn Stadler um legale Vorgänge ohne kriminelle­n Hinter- grund“. Dies werde im Strafverfa­hren zu beweisen sein, hier seien Erhebungen im Gange, betont Kempf.

Der Welser Anwalt Martin Stossier ist Masseverwa­lter der Stadler Güterverke­hrs GmbH, eine der einst größten operativen Gesellscha­ften der Firmengrup­pe. Er sagt: „Sämtliche Verfahren befinden sich im Rechtsmitt­elstadium.“Ähnlich schildert die Lage der Vöcklabruc­ker Rechtsanwa­lt Martin Edelmann, der sich als Masseverwa­lter um die Privatinso­lvenz von Gerhard Stadler kümmert: „Es ist alles sehr prüfungsin­teniv.“Er bestätigte, dass Gerhard Stadler seinen Privatkonk­urs mit dem Argument verhindern wollte, dass er einen Wohnsitz in London habe. Dies erwies sich bei der Untersuchu­ngshaft für den 75-Jährigen nun als Bumerang, denn dadurch konnte auch mit dem Haftgrund der Fluchtgefa­hr argumentie­rt werden. Auch wenn „er nie Anstalten zur Flucht gemacht hat“, wie Kempf betont.

Stossier sagte, er habe zwei Anfechtung­sprozesse um insgesamt 8,5 Mill. Euro in erster Instanz gewonnen. Dennoch äußert sich der Insolvenzv­erwalter zurückhalt­end: Es könne nicht so einfach gesagt werden, dass die arbeitsrec­htliche Konstrukti­on von Stadler von vornherein falsch gewesen sei.

„Die U-Haft kam völlig überrasche­nd. Mein Mandant hat nie Anstalten zur Flucht gemacht.“

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