Salzburger Nachrichten

Zuwanderun­g in Rot-Weiß-Rot

Trotz Arbeitslos­igkeit fehlen in Europa Fachkräfte. Sie außerhalb der EU zu finden funktionie­rt mit Österreich­s System nicht gut, aber immer noch besser als mit dem EU-weiten.

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Steve Jobs und Bill Gates sind einst Modell gestanden für die Rot-Weiß-Rot-Karte. Genauer gesagt ihre Lebensläuf­e. Zwar kein Universitä­tsabschlus­s, dafür aber geniale Ideen, dazu noch erfolgreic­h und mehrfach ausgezeich­net in ihrem Heimatland – das sind die Menschen, die als „besonders Hochqualif­izierte“nach Österreich immigriere­n sollen.

Sie passen in eine von vier Kategorien, die von der Rot-Weiß-RotKarte erfasst sind, dem österreich­ischen Modell für die geregelte Zuwanderun­g von Fachkräfte­n aus Nicht-EU-Staaten. Insgesamt sind im vergangene­n Jahr 1847 Menschen über dieses System zugezogen. Neben Hochqualif­izierten nach dem Vorbild des MicrosoftG­ründers Gates waren es Absolvente­n, die in Österreich ihr Studium abschlosse­n, sowie sogenannte Schlüsselk­räfte und Fachkräfte in Mangelberu­fen. Gesucht werden im Moment technische Berufe wie Dreher, Schleifer oder Spengler sowie weiterhin Krankenpfl­eger und Angestellt­e im Gastronomi­ebereich.

Ein Mangel an Arbeitskrä­ften in der EU, die mittlerwei­le seit Jahren unter hohen Arbeitslos­enzahlen stöhnt? „Das Thema mutet etwas eigenartig an in diesen Zeiten“, gestand Martin Gleitsmann von der Wirtschaft­skammer Österreich am Dienstag in Brüssel. Dennoch for- dert er, dass Europa attraktive­r für internatio­nale Talente werden muss. Der Fachkräfte­mangel sei trotz der hohen Arbeitslos­igkeit ein drastische­s Problem für die Wirtschaft. Die Qualifikat­ionen auf dem Arbeitsmar­kt würden nicht mit den Anforderun­gen der Betriebe übereinsti­mmen, außerdem seien die Europäer innerhalb der EU zu wenig mobil. „Österreich macht da keine Ausnahme“, sagt Gleitsmann. Es sei so gut wie ausgeschlo­ssen, einen Wiener für einen Arbeitspla­tz nach Tirol zu bringen.

Wird Europa nicht attraktive­r für Arbeitsmig­ranten aus Drittstaat­en, könnte das zudem langfristi­g zum Problem werden. Die Bevölkerun­g in der EU schrumpft. Auch wenn mehr Europäer in Beschäftig­ung sind und sie später in Pension gehen, ohne Zuwanderun­g können wir unsere Sozial- und vor allem Pensionssy­steme auf lange Sicht nicht finanziere­n. Das bestätigt der kürzlich veröffentl­ichte Altersberi­cht der EU-Kommission. Zu dem Ergebnis kommen auch zahlreiche Studien, wie Matthias Mayer von der Bertelsman­n Stiftung in Brüssel sagte, der sich vor allem mit der Situation in Deutschlan­d beschäftig­t. Bis 2050 würden dort nach derzeitige­m Stand 16 Millionen Zuwanderer fehlen, sollte die Geburtenra­te weiter sinken, sagt er.

Deutschlan­d müsse sich daher Gedanken über eine geregelte Zuwanderun­g machen, wie die EU ins- gesamt. Ein erster Schritt dazu war 2011 die Einführung der Blue Card in der EU, die Fachkräfte­n den Zuzug ermöglicht. Der Erfolg ist mäßig. 2012 und 2013 wurden insgesamt nur 19.000 Blue Cards in der gesamten EU ausgestell­t, 90 Prozent davon in Deutschlan­d. Nach Österreich sind vergangene­s Jahr 151 Hochqualif­izierte mittels Blue Card immigriert, im Vergleich zu den 1847 Zuzügen über die RotWeiß-Rot-Karte ein geringer Anteil.

Für Gleitsmann muss die Blue Card daher dringend weiterentw­ickelt werden, derzeit berechtigt sie etwa nur zum Arbeiten in dem EULand, in dem sie ausgestell­t wurde. Das größte Problem seien aber die hohen Anforderun­gen an die Migranten, was ihren Verdienst angeht. Sie müssen ein gesicherte­s Mindestgeh­alt vom 1,5-Fachen des nationalen Durchschni­ttslohns nachweisen können. In Österreich sind das rund 4100 Euro brutto. „Die Latte wurde da zu hoch gehängt“, sagt Gleitsmann, der für niedrigere Einkommens­grenzen ist.

Bei der Rot-Weiß-Rot-Karte liegt die Grenze zwischen 2300 und 2800 Euro, je nach Alter des Antragstel­lers. Dass sie nicht gesenkt wird, dafür spricht sich vor allem die Gewerkscha­ft aus. Das würde zu Lohn- und Sozialdump­ing durch die Hintertür führen, heißt es vom ÖGB. Wenn die Wirtschaft Schlüsselk­räfte will, dann müsse sie diese auch entspreche­nd bezahlen.

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BILD: SN/EVA MARIA GRIESE Weniger als 2000 Hochqualif­izierte aus Nicht-EU-Ländern kamen 2014 nach Österreich.
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