In der Raketenstadt Baikonur steht alles still
Nach der NASA schlittert nun auch Russland in eine massive Krise in der Raumfahrt.
Der Lack blättert von der russischen Raumfahrt ab. Nach einer Serie von Pannen wurden vorerst alle Starts und Landungen abgesagt. Es herrscht Stille im Sternenstädtchen Kosmodrom in Baikonur, tief in der kasachischen Steppe. Die Crew auf der Internationalen Raumstation ISS muss vier Wochen länger „oben“bleiben.
Im Mai verglühte ein außer Kontrolle geratener Versorgungsraumfrachter für die ISS in der Erdatmosphäre. Eine Woche später stürzte eine Proton-M-Rakete ab. Dabei verglühte ein mexikanischer Satellit, ein 390 Millionen Dollar schwerer Versicherungsfall. Zuletzt gab es Probleme mit einem an der ISS an- gedockten Raumfrachter, mit dessen Hilfe die Raumstation in eine höhere Umlaufbahn gehoben werden sollte. Dieses Manöver ist inzwischen geglückt. Aber jetzt diese Schmach: Der britische Musicalstar Sarah Brightman reiste nach wochenlangem Training aus Baikonur ab. Sie will nun doch nicht als „Weltraumtouristin“zehn Tage auf der ISS verbringen und dafür 50 Millionen US-Dollar hinblättern.
Ungeachtet der Pannen pumpt Russlands Präsident Wladimir Putin Milliarden in neue Raketentypen und den neuen Raketenbahnhof. Das Kosmodrom wird in Wostotschny gebaut. Das liegt in der Amur-Region, gut 100 Kilometer östlich der Grenze zu China. Das neue Zentrum soll die russische Raumfahrt unabhängig von Kasachstan machen. Doch auch dort scheint nichts richtig zu klappen. Die Arbeiter protestieren und reagieren auf das Baustellenchaos sogar mit Hungerstreiks. Hintergrund ihrer Sorgen: Gut ausgebildete russische Techniker erhalten gerade einmal 500 Euro pro Monat.
Kenner der Szene sagen, dass die russische Raumfahrt durch Abwanderung von Forschern und Schlampereien ins Schlingern gerät. Das gefährdet Russlands Marktplatz im Geschäft mit Satelliten. Die Pannenserie kann aber die gesamte Raumfahrt in Verlegenheit bringen. Seit die NASA ihre Shuttles 2011 endgültig auf dem Boden ließ, war es mehr oder weniger Russland, das allein in der Lage war, regelmäßig Flüge zu und von der ISS anbieten zu können sowie Satelliten in die Umlaufbahn zu hieven. Sojus-Raketen galten als preiswert und vor allem zuverlässig. Bis jetzt.
In den USA konkurrieren in der Raumfahrt mittlerweile private Betriebe um Raumflüge. Sie haben aber Anfangsschwierigkeiten, was sie nicht zuverlässig macht. Russische Twitterer empfahlen ihrer Raumfahrtbehörde himmlischen Beistand. Der wäre womöglich hilfreich, ehe ein Unglück geschieht, das Menschenleben kostet.