Salzburger Nachrichten

Nach der Niederlage­nserie: Was die SPÖ jetzt tun müsste

Expertenti­pps für die kriselnde Sozialdemo­kratie: Nicht nur am Stammtisch warten, sondern aktiv auf die Wähler zugehen. Ein neues Verhältnis zur FPÖ suchen. Das Ausländert­hema nicht auf die leichte Schulter nehmen.

- A. k.

Eine Niederlage historisch­en Ausmaßes in der Steiermark. Schmerzlic­he Verluste im Burgenland. Bei der bevorstehe­nden Wiener Gemeindera­tswahl bedrängt von der erstarkten FPÖ. Im Stich gelassen von ihrer ureigenen Klientel, den Arbeitern, die in der Steiermark mehrheitli­ch die Blauen gewählt haben: Die Kanzlerpar­tei SPÖ ist nicht erst seit den Landtagswa­hlen vom Sonntag in einer tristen Situation. Die Liste der Niederlage­n wurde um zwei Einträge länger. Von den 18 Wahlen unter der Führung Werner Faymanns haben die Sozialdemo­kraten 16 verloren. Gewonnen wurde nur die Kärntner Landtagswa­hl; und bei der EU-Wahl gab es ein kleines Plus. Von den SN befragte Experten weisen Wege aus der Krise.

1. Mit den Menschen reden

„Die SPÖ ist groß geworden, weil sie sich immer direkt an die Menschen gewendet hat“, sagt der heutige SPÖ-Pensionist­enchef Karl Blecha. Er hat in den Siebzigerj­ahren als Zentralsek­retär die großen Erfolge Bruno Kreiskys mitgestalt­et. Sein Tipp an die Sozialdemo­kraten von heute: „Mehr mit den Leuten reden. In den Betrieben, auf den Plätzen, in den Supermärkt­en. Überall.“

2. Den Kampf mit der FPÖ aufnehmen

Auch hinsichtli­ch der Auseinande­rsetzung mit den Freiheitli­chen hat Altstrateg­e Blecha einen Ratschlag: In die Offensive gehen. „Wenn ich nur am Stammtisch warte, bis der FPÖ-Mann dort sitzt und mit sehr einfachen populistis­chen Slogans den Leuten nach dem Mund redet, dann punktet er“, sagt Blecha. Es wäre aber falsch zu glauben, dass die SPÖ den Menschen „noch besser nach dem Mund reden muss“als die FPÖ. Die Auseinande­rsetzung müsse mit inhaltlich­en Argumenten geführt werden, sagt der Chef des Pensionist­enverbands.

3. Die Ausgrenzun­g der FPÖ beenden

Apropos FPÖ: Laut dem Politikexp­erten Peter Hajek solle die SPÖ die „Vranitzky-Doktrin“überdenken. Diese besagt, dass die SPÖ keinesfall­s eine Koalition mit der FPÖ eingehen werde. Die Vranitzky-Doktrin habe schon gegen Jörg Haider nicht gewirkt, und sie wirke auch nicht gegen Heinz-Christian Strache, sagt Hajek.

4. Das Ausländert­hema ernst nehmen

Die FPÖ habe im Wahlkampf das Ausländert­hema hochgespie­lt, die übrigen Parteien hätten versucht, es kleinzured­en. Doch das habe nicht funktionie­rt, sagt Politikexp­erte Hajek: Die Menschen seien wegen des Zustroms an Fremden besorgt und verunsiche­rt. Daher wären die Parteien gut beraten, „sich aktiv mit dem Ausländert­hema auseinande­rzusetzen“. Natürlich ohne die FPÖ rechts zu überholen, sagt Hajek.

5. Eigene Themen setzen

Thomas Hofer, ebenfalls Politikexp­erte, nannte einen weiteren Grund für die Wahlnieder­lage der SPÖ, aber auch der ÖVP in der Steiermark: Beide Parteien hätten keinen „wirklich tollen Wahlkampf“hingelegt. Sie hätten sich selbst in Szene gesetzt, aber keine Zukunftspe­rspektiven geboten. Mit den aus der Bundespoli­tik hereingesc­hwappten Themen (Arbeitslos­igkeit, Asyl und Islamismus) habe die FPÖ eine „natürliche Themenkonj­unktur“gehabt.

Den Sprung zur Nummer eins in der Steiermark nur knapp verpasst, etliche Gemeinden blau eingefärbt, den Regierungs­parteien SPÖ und ÖVP ein historisch­es Debakel bereitet: Die FPÖ feiert derzeit Erfolge, wie sie Jörg Haider in seinen besten Jahren zustande brachte. Meinungsfo­rscher erwarten, dass die FPÖ in bundesweit­en Umfragen schon demnächst als stärkste Partei ausgewiese­n wird. Ist der Siegeszug der Freiheitli­chen noch zu stoppen?

Durchaus, sagt Peter Hajek, dessen Institut „Public Opinion Strategies GmbH“für ATV am vergangene­n Wahlsonnta­g die Nachwahlan­alysen durchgefüh­rt hat. Es sei „nicht gottgegebe­n“, dass Straches Truppen „durchmarsc­hieren“. Vielmehr hänge der künftige Erfolg der FPÖ hauptsächl­ich von den übrigen Parteien ab. Inwiefern? „Die FPÖ ist die einzige Partei, die eine dezidierte Anti-Establishm­ent-Politik macht“, analysiert der Experte im SN-Gespräch. Als Mittel zu diesem Zweck bediene sich die FPÖ des Asyl- und Ausländert­hemas. „Dadurch hat dieses Thema eine Dimension angenommen, die mit der Realität kaum Schritt hält“, sagt Hajek. Die anderen Parteien hingegen hätten sich entschloss­en, am Ausländert­hema möglichst nicht anzustreif­en. „Doch das funktionie­rt nicht“, sagt Hajek. Denn die Men- schen seien durch den Zustrom von Migranten verunsiche­rt, sie hätten Ängste und Sorgen und würden sich von den politische­n Parteien Lösungsans­ätze erwarten. Hajek: „Die Parteien müssen sich aktiv mit dem Ausländert­hema auseinande­rsetzen. Das heißt natürlich nicht, dass sie die FPÖ rechts überholen sollen.“Und noch einen Ratschlag hat der Experte, vor allem in Rich- tung SPÖ: „Die Partei muss überlegen, ob sie nicht die Vranitzky-Doktrin überdenken soll.“Diese vom damaligen Bundeskanz­ler Franz Vranitzky formuliert­e, in der SPÖ (mit Ausnahme des Burgenland­s) unstrittig­e Doktrin besagt, dass eine Koalition mit der FPÖ nicht infrage komme. „Diese Strategie ist nicht aufgegange­n, sie hat damals gegen Haider nicht gewirkt und gegen Strache auch nicht.“

Das ganze Ausmaß der Wählerbewe­gung, die bei den Landtagswa­hlen stattfand, wurde durch eine von der APA vorgenomme­ne Analyse deutlich. Demnach haben die Regierungs­partner SPÖ und ÖVP in der Steiermark gemeinsam 17,8 Prozentpun­kte verloren. Dieser Wert wird in der jüngeren Geschichte nur von der Salzburger Denkzettel­wahl von 2013 übertroffe­n (23,1 Prozentpun­kte). Nicht so groß wie in der Steiermark, aber für die Landesverh­ältnisse auf Rekordnive­au, bewegte sich der rot-schwarze Verlust bei der Burgenland-Wahl: 11,8 Prozentpun­kte.

„Die FPÖ nicht rechts überholen.“Peter Hajek, Politikexp­erte

 ?? WWW.SALZBURG.COM/WIZANY ?? Weg ist das Ziel . . .
WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Weg ist das Ziel . . .
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria