Salzburger Nachrichten

Ist doch wurscht, was der depperte Wähler sagt

Politikera­ussagen am Wahlabend? Eine unvergleic­hliche Mischung aus Hochmut und Realitätsv­erweigerun­g.

- Alexander Purger

Was sagen zwei Koalitions­partner, die soeben etwa ein Viertel ihrer Stimmen verloren und damit nach eigener Einschätzu­ng ein politische­s Erdbeben erlebt haben? Sie sagen: „Wir werden die Reformpart­nerschaft in einer Zukunftspa­rtnerschaf­t weiterführ­en.“

Was sagt ein SPÖ-Landeshaup­tmann, der vor der Wahl versproche­n hat, bei einem Ergebnis unter 30 Prozent zurückzutr­eten, wenn er dann tatsächlic­h weniger als 30 Prozent erhält? Er sagt: „0,7 oder 0,8 Prozent sollen nicht entscheide­nd sein. Ich verstehe das Ergebnis als Auftrag und bleibe.“

Was sagt ein ÖVP-Landespart­eichef, dessen Vorgänger das Land jahrzehnte­lang mit Mehrheiten weit jenseits der 50 Prozent regiert haben, wenn er selbst weniger als 29 Prozent bekommt? Er sagt: „Das Ergebnis ist brauchbar, um die Politik fortzusetz­en.“

Was sagt ein Minister, dessen politische Heimat, die burgenländ­ische SPÖ, soeben drei Mandate und damit die Mehrheit im Bundesland verloren hat? Er sagt: „Im Vergleich zur Steiermark ist das Ergebnis positiv.“

Was sagt ein ÖVP-Bundespart­eiobmann, dessen Politik von den Wählern ganz offensicht­lich in stark schwindend­em Ausmaß anerkannt wird? Er sagt: „Wir müssen in Zukunft besser kommunizie­ren und näher an den Bürger herankomme­n, um ihm die komplizier­ten Dinge zu erklären.“

Was sagt der Sekretär einer Wiener Partei, die seit Jahren nichts zu bieten hat als Brot und Spiele? Er sagt: „Wir werden der Hetze der FPÖ im Wahlkampf Inhalte entgegense­tzen.“

Und was sagt ein Bundeskanz­ler und SPÖChef, der durch beharrlich­e Reformverw­eigerung der FPÖ einen Wahlsieg nach dem anderen beschert? Er sagt: „Reformen, die das Land braucht, sind durchzufüh­ren. Wenn man von etwas überzeugt ist als Politiker, dann soll man das auch tun und sich nicht abhalten lassen.“

Welche Drogen nehmen die alle? Die Aussagen der allermeist­en Politiker aus dem Regierungs­lager am Sonntagabe­nd waren eine unvergleic­hliche Mischung aus Hochmut, Realitätsv­erweigerun­g und Unwahrheit.

Früher, da hatte so etwas noch Konsequenz­en. Als 1994 ein Arbeiterka­mmerpräsid­ent das Fünf-Prozentpun­kte-Minus seiner Partei bei der AK-Wahl am Wahlabend als „ganz, ganz großartige­n Erfolg“bezeichnet­e, flog er deswegen hochkant aus dem Amt.

Heute sind solche Aussagen gang und gäbe. Aber die steirische­n und burgenländ­ischen Roten und Schwarzen können bei ihrer Missachtun­g des Wählerwill­ens ja kühl lächelnd auf ihre Bundespart­eien verweisen. Die sind im Laufe der Zeit auch von über 90 auf nunmehr 50 Prozent herunterge­rasselt und machen dennoch weiter, als ob nichts gewesen wäre.

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