Von männlichen Waldschnepfen und der deutschen Maut
Geht in den EU-Staaten alles rechtens zu? Die Kommission hegt daran Zweifel. Zuletzt bei den Plänen zur deutschen Maut.
Wer auf die Rügen der Kommission nicht hören will, muss zwar nicht fühlen, aber im schlechtesten Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Gerügt hat Violeta Bulc, die in Jean-Claude Junckers Kabinett für Verkehrsthemen zuständig ist, die Verantwortlichen in Deutschland schon, lang bevor die deutsche Maut überhaupt beschlossen wurde. Werden ausländische Lenker durch die Regelung diskriminiert, ist das Gesetz nicht mit dem EU-Recht vereinbar. So simpel und grundsätzlich ist das Argument der Kommission, dass dem kaum etwas entgegenzuhalten ist. Deutschland wird es wohl dennoch versuchen.
Die Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren angekündigt. Eingeleitet kann es formal erst dann werden, wenn das Gesetz zur Maut amtlich ist, also vom deutschen Präsidenten unterzeichnet und veröffentlicht. Dann kommt das Verfahren in Gang. Im ersten Schritt kann Deutschland auf die Vorwürfe reagieren. Also argumentieren, warum das Gesetz nicht diskriminierend sein soll. Stellt die Erklärung die Kommission nicht zufrieden, wird sie Deutschland aufrufen, das Gesetz zu ändern. Passiert das nicht, wird die Kommission vor dem EuGH klagen. Stellt dieser einen Verstoß gegen EU-Recht fest, muss Deutschland das Gesetz ändern, sonst droht eine Geldstrafe.
In 95 Prozent der Fälle kommt es nicht zur Klage – und es gibt viele Fälle. Am Ende jedes Monats veröffentlicht die Kommission ihre Beschlüsse zu Vertragsverletzungsverfahren, allein letzte Woche waren es 127. Darunter sind auch jene, mit denen Verfahren eingestellt wurden, weil Länder eingelenkt haben. Oft handelt es sich um neue EU-Gesetze, die nicht fristgerecht umgesetzt werden. Dafür wurde auch Österreich schon einige Male gerügt.
Zuletzt wurden aber auch vier Klagen vor dem EuGH angekündigt und es wurde von 27 Fällen auf der zweiten Stufe berichtet, in de- nen Staaten aufgefordert wurden, Gesetze zu ändern. Darunter war diesmal auch Österreich. Unser Jagdrecht verstößt gegen die EU-Vorschriften zum Schutz von Wildvögeln, kritisiert die Kommission. Konkret: Burgenland, Niederösterreich und Salzburg gestatten im Frühling die Jagd auf Waldschnepfen. Auch auf männliche, während ihrer Balzflüge. Wird das nicht binnen zweier Monate geändert, droht eine Klage vor dem EuGH.
Ein Fall von „das geht doch die EU nichts an“? Vielleicht. Infrage kann man die Vorschrift an sich stellen, nicht aber die Tatsache, dass die Kommission auf ihre Einhaltung pocht.
Die EU ist eine Rechtsgemeinschaft. Die Staaten können sich nicht aussuchen, an welche Regeln sie sich halten und an welche nicht. Und dass bei anderen genau hingeschaut wird, ist uns ja ganz recht. Stichwort deutsche Maut.