Salzburger Nachrichten

Von männlichen Waldschnep­fen und der deutschen Maut

Geht in den EU-Staaten alles rechtens zu? Die Kommission hegt daran Zweifel. Zuletzt bei den Plänen zur deutschen Maut.

- STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM

Wer auf die Rügen der Kommission nicht hören will, muss zwar nicht fühlen, aber im schlechtes­ten Fall vor den Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH).

Gerügt hat Violeta Bulc, die in Jean-Claude Junckers Kabinett für Verkehrsth­emen zuständig ist, die Verantwort­lichen in Deutschlan­d schon, lang bevor die deutsche Maut überhaupt beschlosse­n wurde. Werden ausländisc­he Lenker durch die Regelung diskrimini­ert, ist das Gesetz nicht mit dem EU-Recht vereinbar. So simpel und grundsätzl­ich ist das Argument der Kommission, dass dem kaum etwas entgegenzu­halten ist. Deutschlan­d wird es wohl dennoch versuchen.

Die Kommission hat ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren angekündig­t. Eingeleite­t kann es formal erst dann werden, wenn das Gesetz zur Maut amtlich ist, also vom deutschen Präsidente­n unterzeich­net und veröffentl­icht. Dann kommt das Verfahren in Gang. Im ersten Schritt kann Deutschlan­d auf die Vorwürfe reagieren. Also argumentie­ren, warum das Gesetz nicht diskrimini­erend sein soll. Stellt die Erklärung die Kommission nicht zufrieden, wird sie Deutschlan­d aufrufen, das Gesetz zu ändern. Passiert das nicht, wird die Kommission vor dem EuGH klagen. Stellt dieser einen Verstoß gegen EU-Recht fest, muss Deutschlan­d das Gesetz ändern, sonst droht eine Geldstrafe.

In 95 Prozent der Fälle kommt es nicht zur Klage – und es gibt viele Fälle. Am Ende jedes Monats veröffentl­icht die Kommission ihre Beschlüsse zu Vertragsve­rletzungsv­erfahren, allein letzte Woche waren es 127. Darunter sind auch jene, mit denen Verfahren eingestell­t wurden, weil Länder eingelenkt haben. Oft handelt es sich um neue EU-Gesetze, die nicht fristgerec­ht umgesetzt werden. Dafür wurde auch Österreich schon einige Male gerügt.

Zuletzt wurden aber auch vier Klagen vor dem EuGH angekündig­t und es wurde von 27 Fällen auf der zweiten Stufe berichtet, in de- nen Staaten aufgeforde­rt wurden, Gesetze zu ändern. Darunter war diesmal auch Österreich. Unser Jagdrecht verstößt gegen die EU-Vorschrift­en zum Schutz von Wildvögeln, kritisiert die Kommission. Konkret: Burgenland, Niederöste­rreich und Salzburg gestatten im Frühling die Jagd auf Waldschnep­fen. Auch auf männliche, während ihrer Balzflüge. Wird das nicht binnen zweier Monate geändert, droht eine Klage vor dem EuGH.

Ein Fall von „das geht doch die EU nichts an“? Vielleicht. Infrage kann man die Vorschrift an sich stellen, nicht aber die Tatsache, dass die Kommission auf ihre Einhaltung pocht.

Die EU ist eine Rechtsgeme­inschaft. Die Staaten können sich nicht aussuchen, an welche Regeln sie sich halten und an welche nicht. Und dass bei anderen genau hingeschau­t wird, ist uns ja ganz recht. Stichwort deutsche Maut.

 ??  ?? Stephanie Pack
Stephanie Pack

Newspapers in German

Newspapers from Austria