Salzburger Nachrichten

2011 Der nukleare Schock

Die Nachwehen der Atomkatast­rophe werden Japan noch lang beschäftig­en.

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SALZBURG. Der 11. März 2011, ein Freitag, war einer jener Tage, die vielen wohl noch lang in Erinnerung bleiben werden. Ungläubig blickte man auf die Fernsehbil­der aus Japan, die eine unüberscha­ubare Verwüstung zeigten: Ein Tsunami als Folge eines Seebebens der Stärke 9,0 wälzte sich über weite Landstrich­e des Nordosten Japans hinweg und hinterließ eine Spur der Zerstörung. Bis zu 30 Meter hoch war der Tsunami, der mehr als 260 Küstenstäd­te verwüstete. Die Flutwelle beschädigt­e oder vernichtet­e mehr als eine Million Gebäude und forderte fast 19.000 Todesopfer – viele davon wurden nie gefunden. Doch damit nicht genug: Ebenfalls verwüstet wurde das Kernkraftw­erk Fukushima Daiichi, in dem vier von sechs Reaktorblö­cken zerstört wurden. In der weiteren Folge kam es zum Super-GAU.

Während das Land trauerte und unter Schock stand und die Aufräumarb­eiten nur langsam beginnen konnten, fürchteten sich die Menschen nun vor der unsichtbar­en Bedrohung der radioaktiv­en Strahlung. Das Gebiet rund um Fukushima musste großräumig evakuiert werden. Bis heute können rund 120.000 Japaner nicht in ihre Heimat zurück. Und die Entsorgung­sarbeiten in Fukushima werden voraussich­tlich noch 30 bis 40 Jahre dauern.

Auch nach vier Jahren ist noch unklar, wo sich die geschmolze­nen Brennstäbe in den Reaktoren 1, 2 und 3 genau befinden. Der Zugang wird durch die extrem hohe Strahlung verhindert. Die AKW-Ruine muss ständig gekühlt werden. So soll vermieden werden, dass sich die Kernschmel­ze ausbreitet und weiter Strahlung austritt. Dabei fallen jeden Tag gewaltige Mengen Wasser an, welches nach der Kühlung in riesigen Behältern gesammelt wird. In mittlerwei­le rund 1000 Tanks lagern bereits mehr als 200.000 Tonnen kontaminie­rtes Wasser. Und die Betreiberf­irma Tepco wird nicht müde zu betonen, dass dieses Wasser mithilfe eines Filtersyst­ems früher oder später von sämtlichen ra- dioaktiven Partikeln gesäubert sein soll. Im Jahr 2020 wollen Tepco und die japanische Regierung mit der Bergung des Brennstoff­s beginnen.

Nach der Atomkatast­rophe hatte sich in der Bevölkerun­g eine klare Mehrheit gegen Nuklearene­rgie formiert. Laut einer Umfrage hat sich daran nichts geändert. Doch waren im Juli 2012 in Tokio noch 75.000 Demonstran­ten auf die Straße gegangen, so protestier­ten dort heuer zum Jahrestag der Katastroph­e nur mehr ein paar Tausend Menschen.

Zur Zeit des Unglücks regierten die sonst immer opposition­ellen Demokraten. Diese versprache­n, die Abhängigke­it vom Nuklearstr­om zu beenden. Mit der Rückkehr der konservati­ven Liberaldem­okraten (LDP) an die Macht war diese engagierte Energiepol­itik gleich wieder Geschichte. Premier Shinzō Abe will die eingemotte­ten AKW jedenfalls wieder anwerfen.

Nach Fukushima wurde Japan zum weltweit zweitgrößt­en Importeur von fossilen Brennstoff­en. Fast 90 Prozent der Stromprodu­ktion werden mit Kohle, Gas und Öl abgedeckt. Elf Prozent kommen aus erneuerbar­en Energien, bald sollen es 20 Prozent sein. Jetzt steht Japan kurz davor, die ersten AKW wieder ans Netz zu nehmen. Das erste Wiederanwe­rfen wurde allerdings von einem japanische­n Gericht unterbunde­n. Doch die Regierung zeigt sich unbeeindru­ckt.

Vier Monate nach Fukushima wurde Europa im Jahr 2011 von einem schrecklic­hen Terroransc­hlag erschütter­t: Bei einem Bombenatte­ntat im Zentrum der norwegisch­en Hauptstadt Oslo wurden am 22. Juli acht Menschen getötet. Zwei Stunden später begann auf der Insel Utøya ein Amoklauf in einem Feriencamp der sozialdemo­kratischen Jugendorga­nisation. Der Täter, Anders Breivik, tötete dabei 69 Menschen. Der rechtsextr­eme 32-Jährige wurde noch am Abend desselben Tagen festgenomm­en. Ein Jahr später wurde Breivik in einem aufsehener­regenden Prozess zu 21 Jahren Haft mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verurteilt.

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Nach dem Seebeben kam es zum Super-GAU.

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