Ein Aufbruch mit zahlreichen Opfern
Der „arabische Frühling“sorgte für neue Hoffnung – und brachte Tod und Vertreibung.
SALZBURG. Es war kurz vor dem Jahreswechsel, am 17. Dezember 2010, als in Tunesien wütende Proteste gegen die autoritäre Regierung begannen und im Laufe der folgenden Wochen in landesweite Massenunruhen mündeten. Von Tunesien ausgehend kam es im Jahr 2011 in der arabischen Welt – in etlichen Staaten im Nahen Osten und in Nordafrika – zu einer Serie von Aufständen, die als „arabischer Frühling“in die jüngere Geschichte eingehen sollte.
Die Folgen: Vertreibung des tunesischen Machthabers Zine al Abidine Ben Ali und erzwungene Rücktritte des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak sowie des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih. In vielen Ländern kam es zu einem Machtvakuum. Es entstanden erbitterte Auseinandersetzungen verschiedenster Gruppen um die Vorherrschaft in den betroffenen Ländern. So begann in Libyen ein Bürgerkrieg, in dessen Verlauf Diktator Muammar al-Gadafi mit internationaler Unterstützung gestürzt wur- de. Gadafi wurde am 20. Oktober 2011 in der Nähe der Stadt Sirte getötet. Die genauen Umstände seines Todes blieben im Dunkeln.
Vor allem aber ist es der Bürgerkrieg in Syrien, der nicht nur die arabische Welt seit vier Jahren in Atem hält. Die unnachgiebige, rücksichtslose Haltung von Machthaber Bashar al-Assad, die Gräueltaten und die massive Einflussnahme der Terrormiliz „Islamischer Staat“und die Kämpfe vieler weiterer, rivalisierender Kräfte führten zu einer in den vergangenen Jahren beispiellosen humanitären Katastrophe: Laut Angaben der Vereinten Nationen wurden in Syrien von März 2011 bis März 2015 rund 220.000 Menschen getötet. Zudem befinden sich mehr als zehn Millionen Syrer auf der Flucht.
Der Wunsch nach einer neuen, besseren Zukunft der Menschen in den Ländern des „arabischen Frühlings“ist mit ungemein großen Opfern verbunden. Die Sehnsucht nach demokratischeren Strukturen, die Hoffnung auf ein sicheres, gutes Leben stehen vielfach ideologisch geprägter, menschenverachtender Machtgier gegenüber. Es wird wohl noch lang dauern, bis im Norden Afrikas und Teilen der arabischen Welt ein echter Wandel hin zu mehr Demokratie vollzogen sein wird. Währenddessen kämpfen die Menschen weiter, fallen der Kriegstreiberei zum Opfer oder sehen nur noch einen Ausweg: die Flucht ins Ungewisse.