Salzburger Nachrichten

Der Zugriff auf digitales Kapital wird geregelt

Da Kunst und Wissen nicht kostenlos herstellba­r sind, bekommt Österreich ein neues Urheberrec­ht samt Festplatte­nabgabe.

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WIEN. Nach jahrelange­m Streit wird in Österreich voraussich­tlich ab 1. Oktober die Festplatte­nabgabe eingeführt. Wer Speicherme­dien kauft, auf denen Privatkopi­en erstellt werden können, wie Festplatte­nrekorder fürs Fernsehen, Computer, MP3-Spieler, Smartphone­s, Speicherka­rten, wird beim Kauf eine Pauschale zahlen müssen, die über Verwertung­sgesellsch­aften an die Urheber – üblicherwe­ise Künstler – weitergele­itet wird. Damit wird endlich gesichert, dass private Kopien von digitalem Kapital wie Musik, Literatur und Filmen auch entspreche­nd entlohnt werden.

Kulturmini­ster Josef Ostermayer (SPÖ), der die Novelle gemeinsam mit Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er vorbereite­t hat, scheut dabei offenbar auch nicht das Sperrfeuer aus seiner eigenen Partei wie von Teilen des Koalitions­partners ÖVP. Die Arbeiterka­mmer hat bisher gegen die Preiserhöh­ung von populären Konsumgüte­rn wie Speicherme­dien für Fernsehen, Musikhören und Lesen opponiert. Auch die Wirtschaft­skammer, insbesonde­re Elektro- und Einrichtun­gsfachhand­el, hat unter anderem mit dem Sammeln Tausender Unterschri­ften breiten Widerstand mobilisier­t.

Zwischendu­rch marschiert­en Künstler demonstrie­rend auf den Ballhauspl­atz, um genau das zu fordern, was Arbeiterka­mmer und Wirtschaft­skammer abwenden wollten. So ist die Urheberrec­htsnovelle und insbesonde­re die Festplatte­nabgabe einer der brisantest­en Punkte auf Ostermayer­s kulturpoli­tischer Agenda geworden, von dem er bereits im Dezember 2013, damals taufrisch im Amt, festgestel­lt hat: „Das wird sicher eines der ersten Themen, die wir versuchen müssen, zu einem Ende zu führen.“Am Dienstagab­end, übrigens mit zwei Monaten Beruhigung­sabstand zur Wirtschaft­skammerwah­l, erfolgte der Schwenk in die Zielgerade: Der Gesetzesen­twurf wurde zur Begutachtu­ng ausgesandt. Am 16. Juni soll er vom Ministerra­t verabschie­det werden, um noch vor der Sommerpaus­e vom Parlament beschlosse­n zu werden und am 1. Oktober 2015 in Kraft zu treten.

Die Kunst- und Kulturscha­ffenden würden „künftig für ihre Leistungen eine faire Vergütung“erhalten, resümiert Josef Ostermayer Und Wolfgang Brandstett­er stellt fest: „Mit dem aktuellen Entwurf ist ein guter Kompromiss zwischen Künstlern, Konsumente­n, Wissenscha­ft und Wirtschaft gelungen.“

Hier einige Eckpunkte der Novelle des Urheberrec­htsgesetze­s: Festplatte­nabgabe Die Idee hinter diesem umstritten­en wie komplizier­ten Regelwerk ist simpel: Ein Urheber soll für die Nutzung seines Werks angemessen entlohnt werden. Vor Kopiertech­nik und Digitalisi­erung war dies einfach: Pro verkauftem Buch, pro verkaufter Vinyl-LP bekam der Urheber, in der Regel ein Künstler, ein bestimmtes Entgelt.

Mit dem Kopieren von Musik über Musikkasse­tten oder von Text auf Kopiermasc­hinen konnte dies umgangen werden. Also wurde eine Regelung für solche Privatkopi­en ersonnen: Beim Kauf einer Leerkasset­te oder eines Kopierers wird seit 1980 ein Pauschalbe­trag eingehoben, den Verwertung­sgesellsch­aften an Künstler weiterleit­en.

Mit der Digitalisi­erung sind diese mechanisch­en Kopiermeth­oden obsolet geworden. Mittlerwei­le wird im Privatbere­ich einfacher und folglich mehr kopiert als je zu- vor; und es werden Musik, Bücher sowie Filme kopiert. Doch erst jetzt wird das Gesetz an die digitalen Kopiermögl­ichkeiten angepasst.

Trotzdem ist nicht zu befürchten, dass ab 1. Oktober die Preise für Geräte mit Speicherpl­atz in die Höhe schnellen werden. Erstens ist in der Novelle ein Höchstbetr­ag für die Speicherme­dienvergüt­ung von 29 Millionen Euro pro Jahr – gültig von 2016 bis 2019 – vorgegeben. In Anbetracht des regen Geschäfts mit solchen Geräten wird pro Kauf kein horrender Zusatzbetr­ag herauskomm­en, für kleine Geräte dürfte weniger als ein Euro fällig werden.

Zweitens hat der Handel bereits in den Vorjahren vorsichtsh­alber einen fiktiven Betrag dafür einkalkuli­ert. Auch wenn diese Abgabe für digitale Speicherme­dien erst jetzt per Gesetz explizit vorgeschri­eben wird, sind bei Gerichten – bis hin zum EuGH – mehrere Prozesse wegen der Analogie zur Leerkasset­tenabgabe anhängig. Sollten da die Händler verlieren, müssten sie möglicherw­eise über mehrere Jahre mehr nachzahlen, als die jetzige Regelung vorsieht. Mit dem neuen Gesetz soll auch ein etwaiger Kompromiss über die bisherigen Streitigke­iten erleichter­t werden.

Mit der gesetzlich­en Vorschrift, eine Speicherme­dienabgabe zu kassieren, ist noch nicht deren Höhe fixiert. Dies auszuverha­ndeln obliegt ab 1. Oktober dem Handel und den Verwertung­sgesellsch­aften. Das neue Gesetz gibt nur Kriterien, Richtlinie­n und Höchstgren­zen vor: sechs Prozent des Preises für Speicherme­dien und elf Prozent für Drucker, Kopierer und Scanner.

Weiters wird versucht, per Gesetz einen Anspruch für Rückerstat­tung dann zu gewährleis­ten, wenn das jeweilige Speicherme­dium nicht für Privatkopi­en urheberrec­htlich geschützte­r Werke benützt wird. Zum Beispiel: Eine Speicherka­rte wird ausschließ­lich für selbst geknipste Fotos – und nicht für Musik oder E-Bücher – verwendet.

Laut neuem Gesetz muss daher die Speicherme­dienabgabe gesondert auf der Rechnung ausgewiese­n werden. Und der Konsument muss der zuständige­n Verwertung­sgesellsch­aft die Verwendung des Geräts ohne Privatkopi­en nicht mehr beweisen, sondern nur glaubhaft machen. Es wird spannend, ob diese Regelung so „einfach verständli­ch und für den durchschni­ttlichen Nutzer nachvollzi­ehbar“zu realisiere­n ist, wie dies in Erläuterun­gen zur Novelle angepriese­n wird. Unwesentli­ches Beiwerk Konsumente­nfreundlic­h wird die freie Werknutzun­g für „unwesentli­ches Beiwerk“. Berühmtes Beispiel ist das urheberrec­htlich geschützte Lied „Happy Birthday“. Wurde dieses beim Kindergebu­rtstag gesungen, per Handy aufgezeich­net und auf Facebook publik gemacht, mussten Urheberrec­htsklagen samt Zahlungsau­fforderung­en von Nutzungsen­tgelten befürchtet werden.

Dies wird nun – wie bereits in Deutschlan­d – ausgeschlo­ssen, wenn ein Werk nur zufällig, beiläufig und „ohne eigentlich­e Verwertung­shandlung“genutzt wird. Freie Werknutzun­g Für Bildung, Wissenscha­ft sowie für blinde, seh- und lesebehind­erte Menschen soll die freie Werknutzun­g erweitert werden. Zum Beispiel soll es erlaubt werden, auch Filme zu zitieren. Oder: Über Intranet von Bildungsin­stituten sollen Fernstudie­n erleichter­t werden. Und Bibliothek­smitarbeit­er sollen an Universitä­tsangehöri­ge digitale Kopien verschicke­n dürfen. Leistungss­chutzrecht Für Zeitungen und Zeitschrif­ten, die sich gegen entgeltlos­es Absaugen ihrer Inhalte über Suchmaschi­nen wie Google wehren, sieht das neue Gesetz Folgendes vor: Der Verband Österreich­ischer Zeitungen (VÖZ) sollte quasi eine Verwertung­sgesellsch­aft werden und als solche mit Internetdi­ensten wie Google über eine Pauschalab­geltung verhandeln. Käme es zu keiner Einigung, könnte der VÖZ auf Unterlassu­ng klagen und hätte angeblich gute Chancen, so einen Prozess zu gewinnen.

Vom VÖZ gab es am Dienstag noch keine Reaktion. Allerdings dürfte dieses neue Modell wegen der voraussich­tlich schwierige­n Umsetzung keinen Begeisteru­ngssturm auslösen.

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BILD: SN/RA2 STUDIO - FOTOLIA Musik, Filme und andere Inhalte landen häufig auf digitalen Speicherme­dien.

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