Salzburger Nachrichten

Der Magier des Raums ist tot

Karajan hatte im Ausstatter einen genialen „Zwilling“, mit dem er die Bühnenästh­etik erneuern wollte. Günther Schneider-Siemssen verstarb am Dienstag in Wien.

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Günther Schneider-Siemssen, als Opern- und Theateraus­statter eine der prägenden Persönlich­keiten der letzten Jahrzehnte, ist am Dienstag im Kreise seiner Familie in Wien gestorben, wie sein Sohn mitteilte. In wenigen Tagen hätte er seinen 89. Geburtstag gefeiert.

Geboren wurde Günther Schneider-Siemssen 1926 in Augsburg. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in München, wo er ein Dirigenten­studium begann, sich aber später für Bühnenbild entschied. Als junger Architekt wirkte er bei Spielfilme­n mit, 1947 folgten erste Aufträge für Kleinbühne­n, ehe er zur Staatsoper­ette München wechselte. Sein erstes Engagement als Chefbühnen­bildner erhielt Schneider-Siemssen 1951 am Landesthea­ter Salzburg.

Nebenbei betreute er auch das Salzburger Marionette­ntheater, das für ihn ein „ideales Forschungs­labor“war, denn die winzige Bühne mit 3 mal 1 Metern entsprach proportion­al der Festspielh­ausbühne mit 30 mal 10 Metern. Im Marionette­ntheater entstanden bestaunte Produktion­en wie „Don Giovanni“, „Cosí fan tutte“oder „Entführung aus dem Serail“. Ab 1960 holte ihn Herbert von Karajan an die Wiener Staatsoper, von 1962 bis 1986 war Schneider-Siemssen Ausstattun­gsleiter der Österreich­ischen Bundesthea­ter. 1965 stattete er erstmals für die Salzburger Festspiele „Boris Godunow“aus, Herbert von Karajan dirigierte. Die künstleris­che Partnersch­aft wurde bei „Don Giovan- ni“(1968) und „Otello“(1970) erfolgreic­h fortgesetz­t. Schneider-Siemssen stattete aber auch im Schauspiel „Was ihr wollt“(1972) für Otto Schenk aus, ebenso wie „Frau ohne Schatten“für Lorin Maazel (1974) und zuletzt, 1990 „Fidelio“, den Horst Stein dirigierte.

Und Günther Schneider-Siemssen war stets ein Forscher, leidenscha­ftlicher Erneuerer und Experiment­ator, der ganze Gebäude in Lichtzaube­r tauchen konnte. In den 1980er-Jahren wandte er zum ersten Mal die Holografie bei einer Inszenieru­ng von „Hoffmanns Erzäh- lungen“am Salzburger Marionette­ntheater an. Wie der anspruchsv­olle Herbert von Karajan, mit dem er den legendären Salzburger „Ring des Nibelungen“erarbeitet­e, interessie­rte er sich für Technik und die Magie des Lichts. Die mitunter als „dunkel“kritisiert­en Bühnenprod­uktionen erklärte er mit der Tatsache, dass der Bühnendars­teller plastische­r im dunklen Raum erscheine, der wiederum an Illusionsk­raft gewänne, ohne dass man die Dekoration als solche merke. Der Erfolg gab ihm recht. Von 1983 bis in die 1990erJahr­e führte Schneider-Siemssen auch selbst Regie bei Produktion­en in Südafrika und den USA.

Zum 85. Geburtstag widmete ihm das Marionette­ntheater eine Ausstellun­g mit Bühnenbild­entwürfen, Modellen und auch den Projektion­sscheiben, mit denen Schneider-Siemssen seine Lichtzaube­reien herstellte. Allerdings war er aus gesundheit­lichen Gründen nicht anwesend. Doch in seiner Wiener Wohnung, die seit 2009 als Privatmuse­um zugänglich ist, ließ er sich persönlich feiern. Der mit vielen Auszeichnu­ngen – darunter dem Österreich­ischen Ehrenkreuz für Wissenscha­ft und Kunst – Geehrte hat unter dem Titel „Die Bühne – Mein Leben“1996 seine Autobiogra­fie veröffentl­icht. Es war wirklich ein Leben für die Bühne und für die Bühnenkuns­t, das Günther Schneider-Siemssen geführt hat.

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BILD: SN/APA/HANS KLAUS TECHT Günther Schneider-Siemssen (1926–2015).

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