Geheimtreffen der Weltelite
Die Bilderberger treffen einander abgeschirmt von der Öffentlichkeit in einem Luxushotel in den Tiroler Bergen. Regieren sie heimlich die Welt, wie Verschwörungstheoretiker glauben?
Das Fünfstern-Superior-Interalpen-Hotel Tyrol ist in diesen Tagen der Nabel der Welt. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit findet in der Nobelherberge in den Tiroler Bergen von 10. bis 14. Juni die jährliche Bilderberg-Konferenz statt. Als Bilderberger gilt ein erlauchter Kreis von Staatschefs, Hochfinanz, Großinvestoren, aber auch Wissenschaftern, Kulturschaffenden und Militärs. Rund 150 Personen aus der ganzen Welt werden ein Mal im Jahr vom Büro in Amsterdam zum informellen Austausch eingeladen.
Diverse Gerüchte begleiten die Veranstaltung, auch deshalb, weil Teilnehmer, Redner und Gesprächspartner ebenso anonym bleiben wie die Themen, über die gesprochen wird. Verschwörungstheoretiker behaupten sogar, dass von der Bilderberg-Konferenz die Weltherrschaft ausgehe. „Ich sehe nichts besonders Geheimnisvolles. Die Veranstaltung lebt vom eigenen Mythos und ist keine Ersatzweltregierung“, sagt der Historiker und Soziologe Karel Kubinzky von der Universität Graz. „Es ist ein angenehmes Wochenende mit interessanten Gesprächspartnern, gutem Essen und in netter Gesellschaft.“Kubinzky spricht von einer Kommunikationsebene für Politik und Management, „ähnlich wie Alpbach, aber auf wesentlich höherem Niveau“. Der Vorteil sei, dass man in ungezwungener Atmosphäre auf freundschaftlicher Ebene informell Dinge besprechen könne, die ansonsten stets auf formaler Ebene vor laufenden Kameras stattfänden. „Small Talk, Urlaub und Fachgespräch werden miteinander verbunden, ähnlich wie auf dem Golfplatz. Ich sehe das alles recht pragmatisch“, erzählt Kubinzky.
Auch sein Kollege Helmut Reinalter, Philosoph und Historiker an der Universität Innsbruck, hat sich mit den Bilderbergern beschäftigt. Seiner Recherche zufolge handelt es sich bei den Bilderbergern um keinen Geheimbund. Neben Vorträgen und Referaten würden virulente Probleme der Weltgesellschaft dis- kutiert. „Menschen in verantwortungsvollen Positionen unterhalten sich und tauschen Erfahrungen aus. Ziel ist es, aus interdisziplinärer Sicht zur Bewältigung der vielfachen Probleme unserer Gesellschaft beizutragen“, betont Reinalter. „Alles andere, was man hineininterpretiert, ist Unsinn.“Die Teilnehmer entwickelten keine Konzepte, es gebe auch keine Mitgliedschaft wie bei einem Verein und keine Statuten. Jeder Einzelne versuche im Rahmen seines Einflussbereichs – und natürlich persönlicher Interessen –, die dort erarbeiteten Lösungsansätze in die Praxis umzusetzen.
An den Konferenzen sollen schon einige Österreicher teilgenommen haben: Bundeskanzler Werner Faymann, die Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, Wolfgang Schüssel und Franz Vranitzky sowie Finanzgrößen wie Hannes Androsch, Ewald Nowotny oder Klaus Liebscher. Die FPÖ versucht seit dem Jahr 2007, Licht ins Dunkel zu den Bilderberg-Konferenzen zu bringen. Insgesamt wurden seither zwölf parlamentarische Anfragen an Regierungsvertreter gestellt. Mit mäßigem Erfolg. Kanzler Faymann antwortet seit 2009 gleichlautend: „Ich weise darauf hin, dass ich an diesem Treffen nicht in meiner Funktion als Bundeskanzler der Republik Österreich teilgenommen habe, weshalb die in der gegenständlichen Anfrage gestellten Fragen auch nicht den Gegenstand der Vollziehung des Bundeskanzleramts bilden.“Gusenbauer und ExWirtschaftsminister Martin Bartenstein gaben zumindest zu, dass die Flugkosten für die Privatveranstaltung aus ihren Ressortbudgets bezahlt worden seien – das entspreche dem Gesetz.
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl spricht von einem „Abschasseln“der Kontrollgremien, schließlich gehöre eine parlamentarische Anfrage zu den schärfsten Waffen. „Was hat Faymann als Privatperson vorzuweisen, was ihn für die Bilderberger interessant macht?“, fragt sich Kickl. „Wenn er nicht mehr in der Regierung sitzt, verschwindet er sofort wieder aus der Einladungsliste.“Ihn ärgere die Intransparenz und die Mauer des Schweigens, während zeitgleich die Bürger immer mehr durchleuchtet würden. Dazu komme, dass für die private Zusammenkunft Tausende Sicherheitskräfte zur Überwachung abgestellt würden, die Kosten dafür trage der Steuerzahler.
Wissenschafter Reinalter hält ebenfalls Abschotten und Geheimniskrämerei in einer pluralistischen Gesellschaft für etwas antiquiert. „Man kann Funktion und Privatperson nicht trennen. Das ist ein Widerspruch, ohne Amt wäre er dort nicht eingeladen“, so Reinalter.
Österreich ist zum dritten Mal Austragungsort des BilderbergTreffens. Schon 1988 traf man sich im Interalpen in Telfs-Buchen. Der Name der Konferenz leitet sich vom „Hotel de Bilderberg“in den Niederlanden ab, wo das Treffen 1954 unter der Schirmherrschaft von Prinz Bernhard der Niederlande erstmals stattfand. Die Liste prominenter Namen ist lang: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel soll dort gewesen sein, wie Ex-Kanzler Helmut Kohl. Die Vorsitzende des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, der frühere USAußenminister Henry Kissinger, David Rockefeller, Google-Aufsichtsratschef Eric Schmidt und die Industriellen Giovanni Agnelli (Fiat) und Stavros Niarchos (Reeder).
„Eine Veranstaltung ähnlich wie Alpbach, aber auf einem wesentlich höheren Niveau.“