Salzburger Nachrichten

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Am 6. Dezember 2012 wird bekannt, dass in Salzburg jahrelang mit Steuergeld spekuliert wurde. Hunderte Millionen sind weg. Kein Stein bleibt auf dem anderen.

- KARIN PORTENKIRC­HNER

SALZBURG. Alles beginnt am 6. Dezember 2012 mit einer überrasche­nd einberufen­en Pressekonf­erenz. Ein Mitarbeite­r von Finanzland­esrat David Brenner (SPÖ) informiert die SN-Lokalredak­tion – ohne das Thema zu verraten. „Ich habe ihn noch halb scherzhaft gefragt: ,Steht’s überhaupt dafür, dass wir hingehen?‘“, erinnert sich der stellvertr­etende Ressortlei­ter Martin Arbeiter. Es sollte sich auszahlen.

Finanzland­esrat David Brenner verkündete, dass eine Spitzenbea­mtin vermutlich ab 2001 eigenmächt­ig risikoreic­he Finanzgesc­häfte im Namen des Landes betrieben habe. Bis zu 340 Millionen Euro seien weg. Die Staatsanwa­ltschaft ermittle.

Das Thema sollte bis Weihnachte­n die Titelseite­n der SN dominieren. „Wir haben versucht, diesen Wahnsinn zu verstehen. Die Welt der Swaps und Derivate war auch für uns damals weitgehend Terra incognita“, sagt Arbeiter. Jeder Kollege habe probiert, seine Kontakte und Quellen anzuzapfen und auszuloten, wer was wann gewusst haben könnte. Die Recherche zieht sich manchmal auch weit in die Abend- und Nachtstund­en. Das Lokalresso­rt sagt deshalb auch die Weih- nachtsfeie­r ab. „Wie hat das mit der Spekulatio­n funktionie­rt? Wie groß ist der Schaden überhaupt? Wie konnten die Kontrollen so versagen? Es war wie ein Stochern in einem großen schwarzen Loch.“Auch die Annäherung an die entlassene Referatsle­iterin, die alle Finanzfäde­n in der Hand gehalten hatte, ist schwierig. Sie sei die „budgetäre Zauberfee“gewesen, Banken hätten versucht, sie abzuwerben. Ihr System sei ohne Wissen über komplexe Finanzablä­ufe nicht nachvollzi­ehbar gewesen. Solange ihre Spekulatio­nen Gewinne erbracht hätten, habe sie freie Hand gehabt. „Die Kontrolle hat komplett versagt, weil man dieser Frau vertraut hat und weil das Ausmaß der Spekulatio­nen das Vorstellun­gsvermögen der Politiker und Beamten übertroffe­n hat.“

Doch nicht nur das: Es stellt sich heraus, dass die Spekulatio­nen mit dem Segen des Landesparl­aments vonstatten­gingen. Der Salzburger Landtag beschloss jedes Jahr im Landeshaus­haltsgeset­z einen entspreche­n- den Passus – zuletzt im November 2012. Die Landesbedi­ensteten, die am 10. Dezember vor dem Chiemseeho­f gegen eine Nulllohnru­nde protestier­en, sind in Rage. Die Wogen gehen hoch: „Ihr habt unser Geld verzockt“, lautet der Vorwurf. Vor allem die SPÖ erleidet massive Imageverlu­ste: Eine Arbeiterpa­rtei, die mit Steuergeld spekuliert – das regt die Wähler auf.

Abgesehen von logischen Erklärunge­n für den Finanzskan­dal geht es auch um die Frage der politische­n Verantwort­ung. Zu Beginn macht kein Mitglied der damaligen Landesregi­erung Anstalten zurückzutr­eten. Eine Woche nach Bekanntwer­den der Spekulatio­nen gibt Finanzland­esrat David Brenner bekannt, beim Sonderland­tag am 16. Jänner sein Amt zurückzule­gen. Ein bitteres Ende für die einstige Zukunftsho­ffnung der SPÖ. Das ÖVP-Parteipräs­idium beschließt, einen Neuwahlant­rag zu stellen.

Bei der Neuwahl im Frühjahr 2013 verlieren SPÖ und ÖVP massiv. Landeshaup­tfrau Gabi Burgstalle­r muss zurücktret­en. Ihr Nachfolger Wilfried Haslauer (ÖVP) bildet mit den Grünen und dem Team Stronach eine Koalition. Die gerichtlic­he Aufarbeitu­ng des Salzburger Finanzskan­dals dürfte wohl noch Jahre dauern.

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BILD: SN/KERSTIN JOENSSON/DAPD Der Finanzskan­dal erschütter­t das Land Salzburg bis in seine Grundfeste­n. Die rot-schwarze Regierung zerbricht. Im Bild Landeshaup­tfrau Gabi Burgstalle­r (SPÖ, Mitte), mit ihren Stellvertr­etern Wilfried Haslauer (ÖVP, links) und David Brenner (SPÖ).

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