Der Herrscher gibt auf
FIFA-Präsident Joseph Blatter tritt völlig überraschend zurück. Der Druck nach dem Korruptionsskandal wurde dem 79-Jährigen zu groß. Zudem soll das FBI gegen ihn ermitteln.
Joseph Blatter gibt auf! In einer kurzen Rede formulierte er die Worte, die selbst im Sumpf der andauernden Korruptionsvorwürfe an seinen Verband niemand erwartet hatte: Der 79 Jahre alte Schweizer tritt als Präsident des FußballWeltverbandes zurück. „Ich habe ernsthaft über meine Präsidentschaft nachgedacht und über die vierzig Jahre, in denen mein Leben untrennbar mit der FIFA und diesem großartigen Sport verbunden gewesen ist“, sagte Blatter auf französisch.
Durch die Wahl am vergangenen Freitag habe er noch einmal das Mandat durch die FIFA-Mitglieder bekommen, „aber ich habe das Gefühl, dass ich nicht das Mandat der gesamten Fußball-Welt habe. Daher habe ich entschieden, mein Mandat bei einem außerordentlich Kongress niederzulegen.“
Blatter wirkte relativ gefasst, auch wenn die Tragweite dieser Entscheidung riesig ist. Kämpferisch hatte er sich noch bei seiner fünften Wiederwahl gegeben. Zuversichtlich wollte er ungeachtet der Festnahmen und Anklagen gegen hochrangige Funktionäre weitermachen. Dieser Skandal, bei dem vor allem die US-Justiz ermittelt, war nun aber doch zu viel.
„Ich habe Domenico Scala gebeten, die Einführung und Umsetzung dieser und anderer Maßnahmen zu beaufsichtigen“, erklärte Blatter – Scala ist bisher Chef der Compliance-Kommission. „Es ist meine tiefe Sorge um die FIFA und ihrer Interessen, die mich zu dieser Entscheidung veranlasst hat“, sagte Blatter am Ende seiner Rede. „Ich möchte denen danken, die mich immer unterstützt haben in konstruktiver und loyaler Weise als Präsident der FIFA“, betonte Blatter. 1998 hatte er den Posten übernommen.
Und nun könnte seine Amtszeit noch böse Nachwirkungen haben: Die US-Bundespolizei FBI ermittelt dem US-Sender ABC zufolge gegen Blatter. Das wurde in den späten Stunden des Dienstagabend bekannt. ABC berief sich auf mit dem Fall vertraute Personen.
Sein Nachfolger als FIFA-Präsident soll voraussichtlich bei einem Sonderkongress des Weltverbands zwischen Dezember 2015 und März 2016 gewählt werden. Diesen Zeitraum nannte Scala nach Blatters Rücktrittsankündigung. Gemäß Statuten des Weltverbands seien mindestens vier Monate zur Vorbereitung eines Wahlkongresses notwendig. Der nächste reguläre FIFAKongress ist erst für den 12. und 13. Mai 2016 in Mexiko-Stadt vorgesehen. „Dies wurde eine unnötige Verzögerung bedeuten“, sagte Blatter.
Seine Entscheidung war ungeachtet der erneuten Zuspitzung der Ereignisse am Dienstag völlig unabsehbar. Nur wenige Medienvertreter hatten es überhaupt zu der Pressekonferenz in Zürich geschafft, nachdem sie gut eine Stunde vor dem geplanten Beginn kündigt worden war.
Viele hatten schon damit gerechnet, dass die Zukunft von Generalsekretär Jérôme Valcke bei der FIFA gefährdet wäre. Die „New York Times“hatte am Dienstag berichtet, dass die US-Ermittler der Ansicht seien, Valcke sei „der hochrangige FIFA-Offizielle“, der 2008 zehn Millionen Dollar von einem FIFA-Konto in der Schweiz auf ein US-Konto überwiesen habe.
Das Geld landete auf Konten, die vom früheren FIFA-Vizepräsidenten und CONCACAF-Chef Jack Warner kontrolliert worden sein sollen. Warner wird organisierte Kriminalität, Korruption und Geldwäsche vorgeworfen. Der Funktionär war in seinem Heimatland Trinidad und Tobago in der vorigen Woche nach einem Gerichtstermin gegen eine Kaution von 2,5 Millionen Dollar auf freien Fuß gesetzt worden. Das US-Justizministerium hat seine Auslieferung beantragt.
Laut der „New York Times“ist in der Anklage der US-Justiz allerdings nicht die Rede davon, dass der Offizielle gewusst habe, dass das Geld für Bestechung verwendet worden sei, hieß es weiter. Valcke sei auch nicht als Mitbeschuldigter genannt. Weder Valcke noch andere aktuelle Mitglieder der FIFA-Führung seien „an der Initiierung, der Bewilligung und Ausführung“beteiligt gewesen, teilte die FIFA mit.
Unabhängig von neuen Enthüllungen oder neuen Dementis: Das öffentliche Bild der FIFA bleibt verheerend. Nun hat Blatter den Weg für eine neue Zukunft der Weltfußballverbands freigemacht. Viele atmen auf. Das beweisen auch die internationalen Reaktionen (siehe Kasten links).
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„Ich habe das Gefühl, dass ich nicht mehr das Mandat der Fußball-Welt habe.“