Salzburger Nachrichten

„Ich glaube noch an eine Lösung“

Was passiert nach dem Referendum? Muss Österreich um Milliarden bangen? Finanzmini­ster Schelling gibt Auskunft.

- „Hier ist ja auch ein Propaganda­krieg im Gange“: Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling. Das Interview führten Redakteure der Bundesländ­erzeitunge­n und der „Presse“.

SN: Falls Sonntag beim griechisch­en Referendum ein Nein herauskomm­t: Ist die Tür dann endgültig zu? Hans Jörg Schelling: Es wird immer eine Möglichkei­t geben. Aber es wird natürlich schwierige­r. Das große Handicap, das wir haben, ist ja, dass es täglich neue Meinungen aus Athen gibt. Dabei waren wir am vergangene­n Wochenende schon nahe an einer Einigung. Unser großes Problem ist aber inzwischen nicht mehr der Inhalt, sondern die komplett gestörte Vertrauens­basis zwischen Griechenla­nd und den anderen Euroländer­n. Es gibt viele Länder – vor allem jene Länder, die selbst weniger Geld zur Verfügung haben –, die nun sagen: Wir haben einfach keine Lust mehr dazu. Aber ich glaube, dass wir noch zu einer Verhandlun­gslösung kommen werden. SN: Kann es diese Verhandlun­gslösung auch mit der Regierung Tsipras geben? Ja. Wir sind auch mit dieser Regierung bereits kurz vor einer Einigung gestanden. Aber es stimmt: Wenn eine Regierung – und das ist wohlgemerk­t eine linke Regierung – bei jährlichen Militäraus­gaben von vier Milliarden Euro mit uns darüber diskutiert, ob 200 oder 400 Millionen eingespart werden sollen, dann halte ich das für seltsam. Eines muss zudem klar sein: Ein weiteres Hilfsprogr­amm muss neu gestartet werden. Das alte ist tot und kann nicht verlängert werden. Und ein neues Hilfsprogr­amm kostet Zeit. Außerdem kann es keinen Kredit ohne Bedingunge­n geben. SN: Kritiker werfen der Eurogruppe vor, nicht auf die Vorschläge Griechenla­nds eingegange­n zu sein. Stimmt das? Wir haben im Februar eine Flexibilis­ierung des Programms beschlosse­n. Demnach durfte Griechenla­nd alternativ­e Vorschläge machen, die im Ausmaß gleichwert­ig sind. Also beispielsw­eise statt einer Anhebung der Einkommens­teuer eine Anhebung der Mehrwertst­euer. Das hätte auch akzeptiert werden müssen. Bis Mitte Juni kam aber kein einziger Vorschlag. Und deshalb haben die Institutio­nen einen Vorschlag erstellt. Bei den Verhandlun­gen darüber sind die Griechen plötzlich aufgestand­en und gegangen. Weil sie einen Anruf aus Athen bekommen haben, dass nicht mehr verhandelt wird, sondern es ein Referendum gibt. SN: Aber es wird doch in jedem Fall weiter Zahlungen für Griechenla­nd geben müssen. Sei es humanitäre Hilfe nach dem Zusammenbr­uch. Hier ist ja auch ein Propaganda­krieg im Gange. Dass alle Griechen auf der Straße leben müssen oder keinen Zugang zur Krankenver­sorgung haben, ist ja überzogen. Aber irgendeine Art von humanitäre­r Unterstütz­ung wird es geben müssen. Humanitäre Hilfe ist aber etwas anderes als Staatshilf­e. Und ob es Letztere geben wird, hängt vom Ausgang des Referendum­s ab. SN: Ist der Grexit für Sie noch ein Horrorszen­ario? Aus finanzwirt­schaftlich­er Sicht nicht. Man sieht ja, dass die Finanz- märkte auch jetzt sehr ruhig bleiben. Für Europa wäre das auch ökonomisch leicht verkraftba­r. Für Griechenla­nd wäre es schon wesentlich dramatisch­er, weil die Staatsschu­lden von 200 auf 400 Prozent des BIP steigen könnten. Negative Implikatio­nen gebe es aber vor allem aus politische­r Sicht für das Projekt Europa. Es gibt ja aus gutem Grund nicht die Möglichkei­t eines Euro-Austritts.

Aber man hätte wahrschein­lich den Sonderfall der Staatsinso­lvenz regeln sollen. SN: Ist die größte Gefahr des Streits nicht auch, dass die EU-Gegner in ganz Europa gestärkt werden? Wir hatten hierzuland­e ja gerade eben ein Volksbegeh­ren über den EU-Austritt, bei dem 240.000 Menschen unterschri­eben haben. Bei acht Millionen Einwohnern macht mir das keine Sorgen. Und auch in Griechenla­nd sagen laut jüngsten Umfragen 67 Prozent der Menschen, dass sie bei Euro und EU bleiben wollen. SN: Auswirkung­en auf Österreich wird Griechenla­nd auch in Form der vergebenen Kredite haben. Hier sind mehrere Milliarden an direkter und indirekter Hilfe „draußen“. Wie teuer wird Griechenla­nd für die Steuerzahl­er schlussend­lich werden? Wir haben einen bilaterale­n Kredit im Ausmaß von 1,56 Milliarden Euro. Der hat eine Laufzeit bis 2041, die Rückzahlun­g ist ab 2020 vereinbart. Derzeit ist bei diesem Kredit das einzige Bedrohungs­potenzial, dass die Griechen die Zinsen in Höhe von 7,5 Millionen Euro nicht bezahlen können. Und das werden wir verkraften können. Darüber hinaus haben wir 3,9 Milliarden Euro Haftung beim EFSF (Eurorettun­gsfonds, Anm.). Damit diese schlagend wird, müsste die EFSF insolvent werden. Das wird nicht eintreten. Hier gibt es maximal einen Schuldensc­hnitt, den wir halt anteilig mittragen müssten. Die Verpflicht­ungen über die EZB matcht diese ganz allein. Und die ist hervorrage­nd dafür aufgestell­t. Das Risiko ist also sehr überschaub­ar. SN: Griechenla­nd wird die heimischen Steuerzahl­er also auch langfristi­g nichts kosten? Nein, das sage ich nicht. Langfristi­g ist die vollständi­ge Rückzahlun­g nicht sichergest­ellt. Wir haben aber lange Laufzeiten und bisher hat Griechenla­nd seine Kredite immer beglichen.

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BILD: SN/CLEMENS FABRY

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