Salzburger Nachrichten

Ja oder nein: Griechen treffen Richtungsw­ahl

Die Regierung Tsipras meint, dass ihre Position in Europa bei einem Nein gestärkt wird.

- SN, Reuters

Mit dem Auslaufen des zweiten Hilfsprogr­amms am Dienstag und dem Referendum am Sonntag steuert Griechenla­nd in unsichere Gewässer. Was auf die Griechen und den Rest der Eurozone zukommt, lässt sich nicht sicher vorhersage­n. Doch gibt es Indizien: Das Nein-Szenario Sollten die Griechen gegen die Reformvors­chläge der Gläubiger stimmen, dürfte die Regierung Tsipras wohl mit gestärkter Brust um neue Gespräche mit den Gläubigern bitten. Der Chefunterh­ändler von Ministerpr­äsident Alexis Tsipras unterstric­h bereits am Dienstag, dass das Referendum Teil des Verhandlun­gsprozesse­s sei und diesen nicht ersetzen solle. An der Position der anderen 18 Eurostaate­n, auf Strukturre­formen zu bestehen, dürfte das jedoch nichts ändern.

Glaubt man Finanzmini­ster Yanis Varoufakis, ist es nicht die Absicht der Regierung, das Land aus der Eurozone zu führen. Er schrieb am 27. Juni in einem Brief an Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em: „Da die EU-Verträge keine Bestimmung­en über einen Austritt aus der Wäh- rungsunion enthalten, wirft das Referendum . . . weder direkt noch indirekt die Frage nach der Mitgliedsc­haft Griechenla­nds in der Währungsun­ion auf, sondern es ist allein auf die Vorschläge der Institu- tionen fokussiert.“Faktum ist, dass die Griechen ohne Geldquelle­n sind und vor enormen Zahlungsve­rpflichtun­gen stehen. Die Gläubiger dagegen geben sich entspannt. So äußerte sich der EU-Kommissar für Finanzstab­ilität, Jonathan Hill, zuversicht­lich, dass das EU-Finanzsyst­em jede Entwicklun­g in Griechenla­nd meistern werde. Und der deutsche Finanzstaa­tssekretär Thomas Steffen erklärte: „Die Risiken aus der jüngsten Entwicklun­g in Griechenla­nd sind bedeutend für Griechenla­nd, für das deutsche Finanzsyst­em bestehen jedoch kaum mehr bedeutsame Ansteckung­skanäle.“ Das Ja-Szenario Sollten sich die Griechen für eine Fortsetzun­g der Spar- und Reformpoli­tik ausspreche­n, werden sie wohl ein neues Parlament wählen müssen. Regierungs­chef Alexis Tsipras vermeidet zwar eine Festle- gung, konsequent­erweise müsste er aber bei einem Ja zurücktret­en. Sein Finanzmini­ster Yanis Varoufakis wird dies jedenfalls tun.

Wahlen kosten allerdings weitere Zeit. Bis dahin wäre ein Expertenka­binett denkbar, das den Volkswille­n umsetzt und die Reformvere­inbarung mit den Geldgebern abschließt. Überraschu­ngen? Theoretisc­h könnte Staatspräs­ident Prokopis Pavlopoulo­s vor Sonntag zurücktret­en – und damit das Referendum stoppen, bis ein Nachfolger gewählt ist. Referenden sind außerdem in Griechenla­nd nicht bindend, sondern haben nur „konsultati­ven“Charakter – und bei einer Wahlbeteil­igung unter 40 Prozent nicht einmal das. Bei einem JaVotum könnte Pavlopoulo­s die Opposition beauftrage­n, eine Minderheit­sregierung zur Umsetzung der Reformen zu bilden.

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BILD: SN/AP Nai (ja) oder oxi (nein): Das ist die Frage.

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