Eine letzte Warnung an Athen
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz machte seinem Ärger über den „unberechenbaren“Alexis Tsipras Luft. Der wiederum meinte im Fernsehen, die Griechen würden am Sonntag ihre Zukunft in die eigene Hand nehmen.
Vor den Kopf gestoßen fühlen sich derzeit die meisten europäischen Politiker von der griechischen Regierung. Sowohl unter den Finanzministern als auch unter den Staats- und Regierungschefs. Der luxemburgische Premier Xavier Bettel zeigte das am Freitag unverhohlen. Er sei mit Premier Alexis Tsipras in den Tagen vor der Ankündigung des Referendums noch in Brüssel zusammengesessen. Von einem Referendum habe Tsipras aber kein Wort gesagt. Es ist ein Vertrauensbruch, den EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in einem Interview mit außergewöhnlich scharfen Worte quittierte: „Tsipras ist unberechenbar.“
Der griechische Premier manipu- liere die Bevölkerung, sagte Schulz. Sein Glaube an die Verhandlungsbereitschaft der Regierung in Athen sei „auf dem absoluten Tiefpunkt“. Beim Referendum hofft der Parlamentspräsident auf ein Ja. Ein Rücktritt der Tsipras-Regierung wäre für Schulz die logische Konsequenz. Die Zeit bis zur Neuwahl müsse man dann mit einer technischen Regierung überbrücken, um weiterverhandeln zu können.
Aussagen, mit denen sich Schulz weit aus dem Fenster lehnt. Er mische sich in die innenpolitischen Angelegenheiten Griechenlands ein und überschreite seine Kompetenzen, kritisierte am Freitag die deutsche EU-Abgeordnete Cornelia Ernst, die der Fraktion der Linken angehört. Ob Tsipras bei einem Ja wirklich weg muss, ließ er am Freitag noch offen. Er werde die Entscheidung des Volkes respektieren und „das von der Verfassung vorgesehene Verfahren in die Wege leiten“, meinte der Premier. Sein Finanzminister Yanis Varoufakis hat seinen Rücktritt bei einem positiven Ausgang bereits angekündigt.
Mit einem Ja beim Referendum bekommen also jedenfalls die Eurofinanzminister einen neuen Verhandlungspartner. Dass die Gespräche nach einem positiven Ausgang des Referendums einfacher werden, davon geht man in Brüssel aber nicht aus. Sie würden auch bei einem Ja schwierig, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Freitag. Derselben Meinung ist der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Für ihn bleibt klar: „Unterstützung nur für echte Gegenleistung.“Griechenland brauche Reformen. Der Weg dahin sei aber schwierig. Zuletzt habe sich die Lage dramatisch verschlechtert.
Keine gute Ausgangslage also. Welche Folgen ein Nein hätte, fragt sich derzeit ganz Europa. Fest steht, dass es gar kein Hilfsprogramm mehr gibt, an dem überhaupt weiterverhandelt werden könnte.
EU-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker gab sich am Freitag wortkarg. „Wenn die Griechen mit Nein stimmen, ist ihre Position dramatisch geschwächt“, sagte er am Rand des Antrittsbesuchs der Kom- mission beim neuen Ratsvorsitz in Luxemburg. Premier Bettel ging weiter. „Es geht um die Frage, ob die Union auseinanderbricht oder lieber zusammenarbeitet.“
In Athen dagegen trat Premier Alexis Tsipras im Fernsehen auf. „Ein Nein bedeutet nicht den Abbruch, sondern die Fortsetzung der Verhandlungen“, versicherte er seinen Landsleuten. Tsipras blieb bei seinen Vorwürfen. „Am Sonntag wird entschieden, ob wir unter dem Druck einer Erpressung die Fortsetzung der Sackgassenpolitik akzeptieren werden.“Das griechische Volk müsse mit Entschlossenheit die Verhandlungskraft der Regierung stärken und der Sparpolitik ein Ende bereiten.