Auf dem Weg zur Einigung
Die Atomverhandlungen mit dem Iran seien nach 13 Jahren auf der Zielgeraden, sagen Diplomaten. Es ist Ungewöhnliches im Wiener Palais Coburg zu spüren: Optimismus.
WIEN. Selten hatte man den von schweren Rückenschmerzen geplagten iranischen Außenminister so gelöst gesehen wie am vergangenen Donnerstagmorgen. „Es geht vorwärts, und es läuft gut“, rief Mohammed Javad Zarif lachend vom Balkon des Wiener Palais Coburg herunter. 24 Stunden zuvor war er von einem Blitzbesuch aus Teheran zurückgekehrt, um dort den wichtigsten der noch offenen Streitpunkte, die internationale Kontrolle von Militäranlagen, mit Revolutionsführer Ali Khamenei abzuklären. Der hatte den Zugang zu militärischen Stützpunkten für nicht verhandelbar erklärt. Gleich- wohl stärkte der Geistliche Zarif für die Schlussphase der Gespräche den Rücken. Der Außenminister, ließ Khamenei mitteilen, habe seine Arbeit gut gemacht und werde das Beste für Iran herausholen.
Nachdem iranische Medien am Freitag eine Einigung über die Inspektion von Militäranlagen gemeldet hatten, wähnte sich ein westlicher Diplomat in Wien bereits „auf der Zielgeraden“. Etwas vorsichtiger, realistischer drückte sich Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow aus. Alle Delegationen seien darauf eingestellt, die Gespräche in den nächsten Tagen abzuschließen. Dabei helfen soll auch der Kabinettschef des iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani, Mo- hammed Nahavandian, der noch am Freitag zu einer „Spezialmission“in Wien eintraf.
Mehr als 80 Seiten umfasst das Abschlussdokument, mit dem der jahrelange Streit um das iranische Atomprogramm endgültig beigelegt werden soll. Die Kontrolle iranischer Militäranlagen durch UNOInspektoren wird in dem Vertragswerk vermutlich nicht ausdrücklich erwähnt werden. Revolutionsführer Khamenei würde sein Gesicht verlieren. In dem Abkommen werde stattdessen festgehalten, dass Teheran das vor zwei Jahren unterzeichnete Zusatzabkommen zum Atomwaffen-Sperrvertrag nun auch ratifizieren werde, sagte der ehemalige Sanktionenexperte des US-State Department, Richard Nephew, in einer Podiumsdiskussion des Global Oil Forum. Das Zusatzabkommen erlaubt Kontrollen sämtlicher verdächtiger Anlagen nach einer Vorankündigung von nur zwei Stunden. Konkret geht es um die Militäranlage Parchin, auf der der Iran Atomtests simuliert haben soll.
Letztendlich nachgeben wird der Iran wohl auch in der Frage, in welchem Tempo die Sanktionen aufgehoben werden sollen. Die Experten des Global Oil Forum erwarten eine schrittweise Aufhebung der internationalen Strafmaßnahmen „ab frühestens Anfang 2016“. So lang könnte es dauern, bis das Abkommen vom Iran umgesetzt und von der Internationalen Atomenergie- behörde überprüft worden ist. Dazu gehören die Stilllegung Tausender Zentrifugen sowie die Verschiffung von bis zu fünf Prozent angereichertem Uran ins Ausland.
Handelsdelegationen aus aller Welt stehen in den Startlöchern, um nach der Unterzeichnung des Atomabkommens nach Teheran zu fliegen. Vor allem die brachliegende Öl- und Gasindustrie muss modernisiert werden. Selbst nach einer Aufhebung der Sanktionen, so glauben die Experten des Global Oil Foru“, werde der Iran seine Exporte lediglich um 500.000 Barrel am Tag auf 1,6 Millionen Fass erhöhen können. Vor der Verhängung des Embargos vor drei Jahren waren es um eine Million Barrel mehr.