Salzburger Nachrichten

Heimat? Heimlich? Unheimlich!

Ein Schuppen weckt in Salzburg Neugier. Wer reinschaut, wird zum Voyeur.

- Ist im Salzburger Kunstverei­n ein Tag der offenen Türen mit Programm in vielen Ateliers. WWW.SALZBURGER-KUNSTVEREI­N.AT

So, wie die beiden Figuren dasitzen, könnte man sie auf den ersten Blick gar für die Opfer in einem düsteren Wallander-Krimi halten. Sie lassen die Köpfe hängen, die Schultern sind gesenkt. Tierpräpar­ate an den Wänden verstärken die unheimlich­e Stimmung. Wird gleich ein Kommissar das Halbdunkel des alten Holzschupp­ens betreten, um das Geheimnis des altmodisch gekleidete­n Mannes und der Frau im Nebenraum aufzukläre­n?

Auf den zweiten Blick allerdings erscheint die Szene in anderem Licht. Die Nase der männlichen Marionette, die jetzt von einer Maschine in Bewegung gehalten wird, hat die Form eines Phallus. Und im glei- chen Rhythmus, wie sie sich bewegt, öffnet und schließt die lebensgroß­e Holzfrau im zweiten Raum ihre Beine. Auch sie wird als Marionette über mehrere Fäden gesteuert. Ein Gorilla und ein Pavian sehen ihr aus dunklen Ecken zu. Also doch kein Krimi. Eine Unschuldsv­ermutung gibt es in der Installati­on, die im Salzburger Kunstverei­n zu sehen ist, allerdings auch für die Besucher nicht. Denn was in dem Schuppen und damit im Verborgene­n vor sich geht, sieht nur, wer durch die Astlöcher und Ritzen der Holzwände spechtelt. Der Betrachter macht sich zum Voyeur. Der eindringli­chen und seltsam doppeldeut­igen Atmosphäre kann man sich trotzdem kaum entziehen. Auch der Titel der Schau ist zweideutig: „Glory Hole“hat die Künstlerin die Installati­on im rustikalis­chen Stadel genannt.

Heimat? Heimlich? Unheimlich? Diese Assoziatio­nskette sei ihm bei dem Projekt unweigerli­ch eingefalle­n, sagte Kunstverei­nsdirektor Seamus Kealy beim Presseterm­in am Freitag. Für die Arbeit, in der die Holzbildha­uerin und Biennale-Teilnehmer­in Weisz nicht nur das Menschlich­e und das Animalisch­e einander gegenübers­tellt, sondern auch Fragen nach Privatheit und Öffentlich­keit oder den Geschlecht­errollen verhandelt, wurde eine originale Holzhütte gesucht. Via Internet wurde sie in Oberösterr­eich gefunden. Jetzt füllt sie den Saal imposant bis zur Decke aus.

Ist der voyeuristi­sche Blick erst einmal bei Weisz eingeübt, wird er im Kabinett gleich wieder gebraucht. Dort hat Erika Hock große, schwarz-weiße Textilform­ate aus Filz mit Löchern versehen. In ihrer Arbeit „What Bananas Say“geht es auch um Einblicke. Sie spielt auf Pläne des Architekte­n Adolf Loos an, der einst ein Haus für Josephine Baker entworfen hat. Aus ihnen könne man Loos’ (erotische) Verehrung für die Tänzerin ablesen, sagt Hock: Zum Entwurf gehörten nicht nur Räume mit großzügige­n Blickmögli­chkeiten, sondern auch ein einsehbare­r Pool mit Unterwasse­rfenstern.

Heute, Samstag,

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Clemens Panagl
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BILD: SN/KUNSTVEREI­N Heimlichen Blicken ausgesetzt: eine der beiden Marionette­n in der Installati­on von Paloma Varga Weisz.

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