Drei Gutachter sprachen von verzögerter Reife
MONIKA KRETZMER-DIEPOLD TRAUNSTEIN. Ins Finale ging am Freitag der Traunsteiner Schwurgerichtsprozess gegen Christoph R., inzwischen 21-jähriger Ex-Bundeswehrsoldat. Der junge Mann hat laut Anklage in der WM-Nacht 2014 in Bad Reichenhall an der Grenze zu Salzburg mit einem Kampfmesser einen 72-jährigen Rentner brutalst erstochen und kurz darauf ein 17jähriges Mädchen schwerst verletzt.
Die Staatsanwälte Björn Pfeifer und Volker Ziegler forderten nun in ihren Schlussplädoyers wegen Mordes und Mordversuchs die höchstmögliche Jugendstrafe von 15 Jahren sowie die Möglichkeit nachträglicher Sicherungsverwahrung. Die Opferanwälte hingegen sprachen sich für Anwendung des Erwachsenenstrafrechts und eine Verurteilung zu lebenslanger Haft aus.
Verteidiger Harald Baumgärtl wiederum beantragte ebenfalls Jugendstrafe – allerdings „nur“in einem Ausmaß von elf Jahren Haft. Die Jugendstrafkammer (Vorsitz: Richter Klaus Weidmann) verkündet ihr Urteil am 10 Juli.
Laut Staatsanwalt Pfeifer hatte sich der junge damalige Soldat mit Kameraden am Abend des 14. Juli in Bad Reichenhall das Fußball-WMFinalspiel angesehen. Mit fünf Halben Bier mäßig betrunken, kehrte er gegen Mitternacht zurück in die Reichenhaller Hochstaufen-Kaser- ne. Dort spielte er – wie so oft – ein gewalthaltiges Computerspiel. Pfeifer: „Spätestens dann hat er beschlossen, wahllos Menschen zu töten.“Dass es den 72-Jährigen und die Jugendliche getroffen habe, sei „purer Zufall“, sagte Pfeifer. Der Soldat sei mit seinem 30 Zentimeter langen Bundeswehr-Kampfmesser gegen 2.15 Uhr in die Stadt gegangen. 20 Minuten später traf er in der Poststraße auf den 72-Jährigen und griff sofort an. Das Opfer ging zu Boden. Der Angeklagte stach 28 Mal heftig zu. Fünf Schädeldurchstiche verletzten das Gehirn des Mannes massiv. 13 Stiche waren potenziell tödlich. Anschließend auf dem Weg zum Rathausplatz habe sich der 21Jährige sogar gegenüber Passanten gebrüstet: „Ich hab gerade einen umgebracht.“Der Staatsanwalt umriss weiter, dass Christoph R. dann in der Berchtesgadener Straße gegen 3.12 Uhr das ihr Rad schiebende 17-jährige Mädchen getroffen habe. Hinter seinem Rücken habe er das Messer gehalten und plötzlich zugestochen – gegen den Oberkörper und vor allem die Augen der jungen Frau. Dem lebensgefährlich verletzten Opfer gelang es zu flüchten. Es überlebte nur dank rascher medizinischer Hilfe. Die jetzt 18-Jährige ist seither auf einem Auge blind. Zum Motiv sagte Pfeifer: „Der Angeklagte wollte nicht konkret diese Opfer töten. Er wollte einfach Menschen töten – aus purer Mordlust.“
Pfeifers Kollege, Oberstaatsanwalt Ziegler, ortete als zentrale Frage im Prozess, ob bei dem zur Tatzeit 20-jährigen Heranwachsenden Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden sei. Man habe sich intensiv bemüht, das Vorleben des während des gesamten Verfahrens schweigenden Angeklagten aufzuklären. In vieler Hinsicht habe sich dabei Unreife beim Angeklagten gezeigt. Ziegler: „Er ist völlig gleichgültig gegenüber dem Leid anderer. Die Tat ist von extremer Brutalität.“Aufgrund seiner verzö- gerten Reife sei wohl strafrecht anzuwenden.
Verteidiger Harald Baumgärtl räumte ein, dass es an der Täterschaft seines Mandanten keine Zweifel gebe. Drei Gutachter hätten Anwendung von Jugendstrafrecht empfohlen. Sein Mandant zeige deutliche Reifeverzögerungen. Eine Nachreife sei nicht auszuschließen. Die harte Kindheit und Jugend des 21-Jährigen seien strafmildernd zu berücksichtigen, ebenso die Enthemmung durch Alkohol. Eine Jugendstrafe von elf Jahren sei ausreichend, sagte Baumgärtl. Nachsatz: An dem Vorbehalt auf anschließende Sicherungsverwahrung werde man aber nicht vorbeikommen.
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