Die letzten ihrer Art
Die SN-Sommerserie rückt Fertigkeiten und Dinge in den Mittelpunkt, die vergessen scheinen.
Ja, es sei schwer, Nachwuchs zu finden, erzählt Gerhold Wöhrer bei einem Rundgang durch einen kleinen Wald in Niederösterreich. Der 71-Jährige ist einer der letzten Pecher Österreichs. Ein uraltes Handwerk zur Gewinnung von Harz aus Schwarzföhren. Früher lebten Tausende Familien vom „Gold der Bäume“. Dann änderte sich alles. Wöhrer und seine Mitstreiter halten das Handwerk dennoch hoch. Warum?
Dieser Frage gehen die SN in den kommenden Wochen in ihrer Sommerserie „Die letzten ihrer Art“nach. Die SN-Redakteure Martin Behr, Eva Hammerer, Anja Kröll, Alexandra Parragh, Fritz Pessl und Marian Smetana trafen dafür Menschen, die durch ihr Engagement vom Aussterben Bedrohtes am Leben halten. – Und blickten zurück auf Dinge, die manch einer nur noch aus der Erinnerung kennt.
So wie bei Karin Haider, die vor 29 Jahren ihre Ordination in Wien aufsperrte – eine für Puppen und Plüschtiere. Sie werden in einer Puppenwerkstatt repariert. Zu Haiders Stammkunden zählt etwa ein Ehepaar, das jedes halbe Jahr seinem Maskottchen Pietro – einer Mischung aus Wollhund und -hase – neue Kleider schneidern lässt. Aber es sind auch Besuche an Orten, die im digitalen Zeitalter vom Aus- sterben bedroht sind. Wie einem Erotikkino. „Die Jüngeren, die mit hochrotem Kopf mehrmals auf und ab gehen und dann rasch ins Kino huschen, die gibt es mittlerweile nicht mehr. Die haben eh das Internet, YouPorn und so, die haben da nichts mehr verloren“, sagt der Mann, der im Foyer die Tickets ausgibt und seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will.
Es sind aber auch Geschichten von Dingen, die Erinnerungen an frühere Zeiten wecken – wie Telefonzellen und Kaugummiautomaten. Oder Materialien und Menschen, die diese verarbeiten. Wie das fest-flüssige und immer auch ein bisschen unberechenbare Glas. Wie viel Erfahrung es für seine Bearbeitung braucht, weiß Gerhard Knöbl, der als Glasbläser für die Firma Riedel in Kufstein arbeitet. „Glasbläser ist ein aussterbender Beruf“, sagt Christine Loibl, Chefin der Glashütte.
Die SN-Sommerserie stellt auch die Frage, warum manche Menschen einer Zeit nachtrauern, die alles andere als einfach war. Kriegsgeschrei und Kanonendonner passen nicht in ein friedliches Europa. Trotzdem gibt es Traditionsregimente, die die großen Kriege der Kaiserzeit nachstellen.
Nicht alle der „letzten ihrer Art“werden in den kommenden Wochen vor den Vorhang geholt werden können. Es gilt aber die Hoffnung, dass einige von ihnen für die Zukunft wieder zu den „ersten ihrer Art“werden könnten.