Salzburger Nachrichten

Zurück zum Tauschhand­el

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Jene, die langfristi­g das Bargeld abschaffen möchten, haben diese Woche einen wichtigen Etappensie­g errungen. In Griechenla­nd gibt es schon jetzt kaum noch welches. Damit schlägt die Stunde jener Einrichtun­g, die jahrtausen­delang die Weltwirtsc­haft am Laufen hielt, zuletzt aber etwas in Vergessenh­eit geraten ist: der Tauschhand­el.

„Wie macht sich so ein Tauschhand­el?“, fragte Ernst Waldbrunn, der sogenannte Blöde in einer der legendären Doppelconf­érencen aus der Feder des unvergleic­hlichen Hugo Wiener. „Na, ganz einfach“, antwortete Karl Farkas, der sogenannte Gescheite. „Sagen wir, du bist Schuster und lieferst einem Arzt ein Paar Schuhe. Wird er dir dafür im Austausch den Blinddarm herausneh- men.“– „Aber was ist, wenn er wieder ein Paar Schuhe braucht? Ich hab keinen Blinddarm mehr!“– „Das ist doch nur ein Beispiel. Genauso gut kann er dir als Gegenwert einen Zahn ziehen.“– „Aha“, resümierte Waldbrunn, „und am Ende hat der Arzt 33 Paar Schuhe und ich hab keinen Blinddarm mehr und keinen Zahn im Munde.“

Aber keine Angst, Griechenla­nd muss jetzt nicht zwingend zum Land der mümmelnden Schuhmache­r werden. Denn der Tauschhand­el lässt sich auch verfeinern. In Wien gibt es zwei Adressen, an denen die weltweit gesuchtest­en Experten dafür sitzen – unsere Regierungs­parteien. In ihrer seit 1945 bestehende­n GmbH fließt zwischen den Gesellscha­ftern niemals Geld. Alle Geschäfte werden wie in grauer Vorzeit via Tauschhand­el abgewickel­t.

Zum Beispiel war es für die ÖVP nicht mit Gold zu bezahlen, dass der Kanzler der SPÖ eine Zeit lang Alfred Gusenbauer hieß. Sie bezahlte dafür auch nichts, sondern honoriert das Geschenk damit, dass sie sich alle zwei Jahre in einer Ob- manndebatt­e selbst zerfleisch­t. Das nennt man Tauschhand­el. Und die SPÖ muss für diesen turnusmäßi­gen Selbstmord des Mitgesells­chafters ebenfalls kein Geld ausgeben. Sie bezahlt ja mit Werner Faymann.

Man sieht also, dass es auch ohne Geld geht. In den meisten Phasen des Tauschhand­els kristallis­ierte sich allerdings früher oder später so etwas wie eine Ersatzwähr­ung heraus. In der Nachkriegs­zeit in Österreich waren das amerikanis­che Zigaretten und Nylonstrüm­pfe, für die man im Tauschwege so allerhand bekommen konnte.

Auch die österreich­ische Politik hat eine solche Ersatzwähr­ung: das Wort „Pensionsre­form“. Wie bei Zigaretten und Nylonstrüm­pfen geht es nicht um den praktische­n Sinn und Zweck des Objekts, sondern um seinen theoretisc­hen, verrechenb­aren Wert. So wie die Zigaretten nicht geraucht und die Nylonstrüm­pfe nicht getragen wurden, findet auch die Pensionsre­form nicht statt. Sie dient nur als Verrechnun­gseinheit im koalitionä­ren Tauschhand­el.

Wenn die ÖVP energisch und fordernd das Wort „Pensionsre­form“ausspricht, weiß sie selbst, dass sie eine solche niemals wird durchsetze­n können. Aber sie erschreckt den Koalitions­partner mit dem bösen Wort derart, dass sie etwas dafür verlangen kann, wenn sie es für eine Zeit aus ihrem Sprachgebr­auch streicht. Zum Beispiel bekommt sie von der SPÖ dafür eine kleine Senkung der Lohnnebenk­osten. – Das nennt man sublimiert­en Tauschhand­el.

Umgekehrt weiß die SPÖ genau, dass, wenn sie ihren Pensionist­en das drohende Wort „Pensionsre­form“zuraunt, eine solche von der ÖVP gar nicht geplant ist. Aber sie darf fix damit rechnen, dass sie für das entrüstete Ausspreche­n des Worts mit einer Gegenleist­ung seitens der Pensionist­en rechnen darf, nämlich mit deren Wählerstim­men.

So funktionie­rt der bargeldlos­e Tauschhand­el. Die Griechen brauchen sich nur an unsere Regierung wenden, wenn sie irgendetwa­s über archaische Zahlungsfo­rmen wissen wollen.

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